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9. Die Tscherkessen.*) 
(Charakterbild eines kriegerischen Bergvolkes.) 
Ein Ausdruck von großer Energie und wilder Kühnheit wohnt in fast 
allen Tscherkessengesichtern; aber jenes herrliche Adlerprofil, jene flammen- 
iprühenden Augen, jene schönen rabenschwarzen Bärte, die ich bei einzelnen 
Tscherkessen bewunderte, findet man mehr unter den Edelleuten unver- 
mischten Blutes, als unter dem großen Haufen. Gleich unter den ersten 
Gruppen von Bergbewohnern, die ich am Kuban gesehen, fielen mir einige 
der höchst imposanten Gestalten der Usden aus. Mit solchen Tscherkessen- 
gesichtern hatte ich mir unsere mittelalterlichen Helden, einen Cid, Sickin¬ 
gen, Ritter Bayard gedacht. Wahrlich, ein sehenswerther Anblick! — 
diese schlanken Ritter des Kaukasus in reichem Waffenschmuck mit der stolzen, 
kecken Haltung unter dem Hausen der plumpen Kosaken! Es sprach aus 
den Zügen dieser Bergbewohner ein volles Bewußtsein ihrer Ueberlegenheit, 
eine hochmüthige Geringschätzung des Volkes, unter dem sie wandelten. 
Zwei Dinge haben alle Tscherkessen, die Adeligen wie die Niederen, mit 
einander gemein: den behenden, leichten, fast schwebenden Gang und die 
imponirend stolze Haltung, die ihnen, den freien Söhnen des Gebirgs, 
unter Russen so gut ansteht. Als ich mit der russischen Post durch die 
Kubansteppen fuhr, begegnete ich bald tscherkessischen Reitern, baldKosaken; 
beide tragen am Kuban die gleiche Tracht, die gleiche Bewaffnung, und 
unter den Linienkosaken findet man auch häufig tscherkessische Gesichter. Aber 
den echten Tscherkessen erkannte ich immer schon in ziemlicher Entfernung 
an seiner stolzen Haltung. Die schwarzen Augen unter der zottigen Mütze 
funkelten mich immer finster und feindlich an, und seine Hand bewegte sich 
nie zum Gruße, während der zahme Kosak, schon dreißig Schritte vor dem 
Wagen die Mütze abnehmend, mich und meine Escorte demüthig grüßte. 
Das tscherkessische Volk, dessen Wohnsitze sich vom Kuban bis zum 
Fluffe Bu unweit Gagra erstrecken, zählt mit Inbegriff der Kabarden und 
Abasakstämme, welche einen Dialekt der Adighesprache sprechen, 900,000 
Seelen. So ist die Schätzung der Russen, die durch ihre zahlreichen 
Spione von der Lage und Größe der verschiedenen Stämme und Auls 
(Dörfer) ziemlich genaue Kunde haben, besonders in jenen Gegenden, 
wo russische Festungen in der Nähe liegen. Longworth, der mit Bell ein 
Jahr unter den Tscherkessen sich aufgehalten, schätzt die tscherkessische Be¬ 
völkerung wohl übertrieben auf eine Million. Wären die Tscherkessen mit 
den Tschetschenzen unter Einem Oberhaupte vereinigt gewesen, so würde 
es ihnen nicht schwer gefallen sein, 10,000—20,000 Krieger und noch 
mehr auf einem bestimmten Punkte zu versammeln, und am Kuban furcht¬ 
bare Ueberfälle auszusühren. Kein Punkt des Landes der tschernomori- 
schen Kosaken von Taman bis Ustlabinska wäre stark genug, dem Ueber- 
*) Nach dem angeführten Werke v. Wagner.
	        
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