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schönsten Tugenden fähigen Nationalgeist der alten Hellenen in dem Cha¬ 
rakter der jetzigen, als verschmitzt verschrieenen, im Handel und Wandel 
übelberüchtigten Neugriechen wiedererkennen. Allein auch hierin giebt es 
vielleicht mehr Parallelismus, als die allgemeine Stimme es zugeben will. 
Verschlagenheit, List, Gewandtheit und Verstellungskunst, die dem Neu¬ 
griechen jeder beilegt und die man gewöhnlich dem Türkendrucke und Sla- 
venjoche zuschreibt, waren nach Homer's Zeugnisse auch schon den alten 
Hellenen in hohem Grade eigen, und der erfindungsreiche Odysseus war, 
wie man sagt, „mit allen Wassern gewaschen", mit betrügerischem Diebes¬ 
sinn, Raublust, hinterlistiger Ueberredungskunst und je nach Umständen 
mit schmeichlerischer Höflichkeit reichlich begabt. Also auch diese Untugen¬ 
den der Griechen sind schon althergebracht. 
Auf der anderen Seite sind trotz Türkendruck und Slavenjoch die 
Neugriechen noch jetzt durch Lebhaftigkeit des Gefühls und der Phantasie, 
Beweglichkeit des Gemüths, Schärfe des Geistes und Frohsinn, wie die 
Alten ausgezeichnet. Liebe zu ihrer Berg- und Jnselheimath und dabei 
doch ein großer Trieb, die Wellen des Meeres zu durchwandern, bewegt 
sie gleich ihren Altvordern, und an glorreichen Beispielen patriotischer 
Hingebung und heldenmüthiger, aufopfernder Verteidigung des Vater¬ 
landes hat es weder in alten, noch in neueren Zeiten gefehlt, eben so 
wenig wie an Antrieben zur größten Eifersucht, zur Uneinigkeit, Partei- 
wuth und leidenschaftlichsten Racheübung. Neben den größten Jntriguan- 
ten findet man auch zuweilen noch im jetzigen Griechenland die biedersten 
und geradesten Männer, neben der ärgsten Charakter- und Tugend¬ 
losigkeit den reinsten, festesten Willen. 
Für Gelehrsamkeit und Wissenschaft ist bei den Griechen der Same 
niemals völlig ausgestorben, und es hat selbst in den schlimmsten Zeiten 
des Türkendruckes in Constantinopel immer ein Häuflein Griechenabkömm¬ 
linge gegeben, unter denen Bildung und Kenntnisse traditionell waren 
und aus deren Mitte dann und wann große Gelehrte hervorgegangen sind, 
hellsehende Köpfe, weitleuchtende Lichter, die selbst im Occident die Auf¬ 
merksamkeit auf sich zogen. In neuester Zeit hat sich die ganze Nation, 
so weit sie frei wurde, wieder dem Studium, der Lern- und Lehrbegierde 
hingegeben und Hoch- und Volksschulen in ihrem Schooß erzeugt. Auch 
in Bezug auf die Künste ist in den Volksanlagen die Bildsamkeit nie ganz 
ausgestorben; die Neugriechen haben sich auch auf diesem Gebiete einigen 
neuen Ruhm erworben. 
Allerdings mag man alle diese Leistungen und Talente der Neu¬ 
griechen im Vergleich mit dem, was ihre Altvordern uns hinterließen, vor¬ 
läufig noch als sehr diminutiv bezeichnen und nur als neue Keime be¬ 
trachten auf dem Boden, auf dem einst ein so imposanter und blüthen- 
reicher Musenhain stand. Sehr begreiflich ist es daher auch, daß die 
Neuen in ihren Traditionen von den Verrichtungen der Alten wie von 
den Thaten eines Titanengeschlechts reden, und daß sie in ihren Sagen 
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