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hohen Maße auf sein Rennthier, wenn er die Richtung ganz verloren hat; 
ist das Thier schon einmal den Weg gekommen, oder stößt es auf Spuren 
von anderen Rennthieren, so bringt es ihn gewöhnlich wohlbehalten nach 
bekannten Gegenden und Pässen. Kommt plötzlich ein Schneesturm, der 
die Weiterfahrt unmöglich macht, so hat der Lappe für diesen Nothfall 
sein Zelt bei sich, das er an irgend einem geschützten Orte aufschlägt, und 
in dem er abwartet, bis das Unwetter vorüber ist. Nicht selten wird er 
auf diese Weise mehrere Tage aufgehalten. Indessen ist es in der Regel 
mit dem Mangel des Sonnenlichtes nicht so gefährlich. Ist der Himmel 
klar, so giebt der Mond, welcher mehrere Tage hinter einander fortscheint, 
ohne unterzugehen, ein Licht, das nur dem der Sonne nachsteht. Ist der 
Mond untergegangen, so verbreitet das Nordlicht und der außerordentlich 
helle Schimmer der Sterne einen solchen Lichtglanz, daß der Mensch sicher 
seine Schritte durch die pfadlose Wüste des Schnees findet. Weil seine 
Augen während der Reise beständig auf die Himmelskörper Acht geben, so 
erwirbt er sich ganz von selbst, wie der Hirt, eine für ihn ausreichende 
Kenntniß der Astronomie, die sich auf eine kleine Zahl von Sternbildern, 
wie des großen und kleinen Bären, des Orion u. s. w. beschränkt. Diese 
Sterngruppen unterscheidet er durch Namen, die er ihnen selbst giebt, und 
sie ersetzen ihm die Magnetnadel, wenn das Wetter nicht ungünstig ist. 
So schlägt er sich muthig durch alle Gefahren und Hindernisse seines 
Klima's hindurch, und die größten Beschwerden dünken ihm leichte Unfälle, 
die nothwendig zu seinem Leben gehören. Der ganze Verlauf seines 
Lebens zeigt uns, daß Glück und Unglück, Wohlsein und Genuß, Ent¬ 
behrung und Ueberfluß mehr von Vorstellungen und Einbildungen als 
vom Körper abhängen. Sitten und Gewohnheiten versöhnen uns mit 
allen Dingen, bilden unsern Charakter und machen mit Einem Worte 
den Menschen zu dem, was er ist. 
5 Spitzbergens 
Unter dent Meridian Mitteleuropas und der skandinavischen Halb¬ 
insel zwischen dem 76° 30' und 80° 50' nördl. Br. gelegen, ist 
Spitzbergen so zu sagen die am weitesten nach Norden gerückte Vorhut 
unseres Erdtheils. Das Land ist eine Inselgruppe, bestehend aus einer 
Hauptinsel, welche ihren Namen dem ganzen Archipel verliehen hat; aus 
zwei anderen Inseln, einer kleineren im Süden, dem „Staatenlande", und 
einer größeren im Norden, dem „Nordostlande" — und außerdem noch 
*) Von Spitzbergen zur Sahara. Stationen eines Naturforschers w. Von 
Charles Martins, übersetzt von A. Bartels, mit einem Vorwort von C. Vogt. 
2 Bde., Jena, H. Costenoble 1868.
	        
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