79
ihre Leute einfach an's Ufer der Newa, wo sie mit Eimern, die an langen
Stäben befestigt sind, das Wasser etwas fern vom Ufer aus dem Flusse
schöpfen. Für die Wohlhabenden giebt es Schöpfanftalten, wo man in
kleinen Häusern das Wasser aus dem Flusse hervorpumpt. Im Frühlinge,
wenn bei dem Schneeschmelzen aus allen Straßen schmutzige Bäche nach
dem Flusse laufen, ist indeß in vielen Haushaltungen große Noch, weil die
Schläuche der Pumpen zu nahe am Ufer liegen und dann nicht eben das
reinste Wasser heraufbringen. Im Winter werden viele Schöpflöcher in
die Eisdecke gehauen, und in deren Nähe auch Tröge zum Tränken der
Pferde aus Eis gezimmert. Die einspännigen Wasserschöpfer mit ihren
triefenden und spritzenden Fässern gehören daher zu den stehenden Straßen¬
figuren Petersburgs. Man sieht sie beständig in langen Reihen bei den
Schöpsbrunnen auffahren. Ein Kaiser könnte sich durch Errichtung einer
Wasserkunst, welche die ganze Stadt versorgte, ein großes Verdienst erwerben.
Das Waschen ist in unfern Städten ein Geschäft, das man nur im'
Innern der Häuser und Gehöfte verrichtet, und allenfalls auf einen: idyl¬
lischen Gemälde sehen wir die Frauen unmittelbar am Flusse im Freien
mit der Wäsche beschäftigt. In Rußland aber kennt man fast keine an¬
dere als die Flußwäsche, und selbst in der Residenz kommen überall die
Weiber wie die Prinzessin Nausikaa mit ihrem Gefolge und dem schönen
Flachsgewebe zur Wohnung der Nymphen gefahren, um von ihnen neuen
Glanz und neue Frische zu borgen. Auf allen Kanälen der Stadt und
an den Ufern der Flußarme sind zu diesem Behufe Flöße errichtet. In
der Mitte derselben befinden sich Oeffnungen, in welche man die Wäsche
wirft, und ringsum Corridors zur Communication. Die ganze Operation
der Wäscherinnen besteht darin, daß sie die Gewänder häufig benetzen und
mit einem glatten Holze schlagen. Man sieht diese Waschweise bei allen
slavischen Völkern von Petersburg bis Macedonien. Selbst im Winter,
wo sie die Oeffnungen der Flöße vom Eise rein halten, haben diese ab¬
gehärteten Frauen keinen andern Waschapparat, und man bemerkt nicht,
daß irgend ein Kältegrad ihr Geschäft unterbräche. Unermüdlich mit ihrer
Arbeit beschäftigt, obgleich von unten bis oben mit Eis inkrustirt, fällt es
ihnen nicht ein, auch nur einen Seufzer über die Kälte des Unwetters
laut werden zu lassen. Natürlich begnügen sich nicht die luxuriösen Peters¬
burger mit dieser einfachen Waschweise; ja manche von ihnen treiben sogar
die Delicatesse in diesem Punkte so weit, daß sie behaupten, in ganz Peters¬
burg könnte kein Weib ein Hemd weiß waschen, weshalb sie ihre schmutzige
Wäsche alle 14 Tage regelmäßig nach London spediren, um sie von dort
alle Sonnabende gebleicht und gereinigt zurück zu empfangen.
- Noch mehr als die von Waschweibern wimmelnden Flöße interessiren
den Fremden auf den Kanälen und Flußarmen der Stadt die schwimmen¬
den Fischbuden, die sogenannten Ssadocks. Alles, was den Fang, die
Aufbewahrung und den. Verkauf der Fische betrifft, ist bei den Russen auf's
Beste eingerichtet, und so sind es auch diese überall vertheilten Ssadocks.