Full text: Landeskunde der Provinz Hannover und des Herzogtums Braunschweig (Niedersachsen) (Erg.)

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V. Geschichte. 
daß die Perioden ungefähr gleichlang waren'. — Die gar nicht seltenen Moor- 
leichen waren entweder Verunglückte, oder aber zur Strafe Versenkte, und dies sind 
offenbar die meisten gewesen (Tacitus, Germania 12). Kleidung und Haare, von 
der Moorsäure fuchsrot gefärbt, sind gut erhalten, die Knochen völlig erweicht. Die 
Funde beweisen, daß die Kultur in Gewandung, ihrem Muster und Schnitt, recht 
hoch und dieselbe war, welche die Germanen auf verschiedenen römischen Siegesdenk- 
mälern tragen. 
Eine gewisse Gliederung in Kulturabschnitte läßt sich an Hand der Be- 
stattungsarten, der Gräberfunde, aufstellen: 
a) Steingräber der jüngeren Steinzeit mit einer großen, meist aus unbehauenen 
Steinblöcken hergestellten Grabkammer. Unverbrannte Leichen. Dolmen — über¬ 
irdische Grabkammern oder Ganggräber; Cromlechs — kreisrunde oder auch recht- 
winklige Steinsetzungen2. Die „Sieben Steinhäuser"3 bei Fallingbostel, die Lübben- 
steine* bei Helmstedt. Das größte Steingrab liegt bei Hekese, Kreis Bersenbrück, 
86 m lang. Älteste Funde germanischer Töpferkunst mit mannigfaltigen, schönen Formen. 
b) Grabhügel mit Steinaufbau und Hockergräber mit hockender Stellung der 
Leiche. Zunehmen der Leichenverbrennung, Verfall der Töpferei. 
c) Hügelgräber mit kleinen Steinkisten, welche die Asche des verbrannten 
Leichnams enthalten. 
d) Urnenfriedhöfe bis in den Beginn der christlichen Zeit, also bis ins 
8. Iahrh. n. Chr. An Hand der Funde von Töpferwaren in England läßt sich sicher 
die Verbreitung der „Angelsachsen" aus unserer Heimat nachweisen. 
Die Wallburgen sind in unserem Gebiete zu mehreren Dutzenden vorhanden 
und teilweise in ansehnlichen Überresten erhalten, so die Pippinsburg und das Bülzen- 
bett bei Lehe, auf dem Deister die Heister-, die Wirkes- und die Vennigser Burg, auf 
dem Elm die Reitlingsburgen. Sie entstammen sehr verschiedenen Zeitaltern, viele 
werden als sächsisch, davon im Lüneburgischen eine große Zahl als Grenzplätze gegen 
die Wenden, einige als fränkisch, kaum eine als römisch angesprochen. Römisch sind 
wohl einige der Knüppeldämme — ponte8 longi —, die unsere Moore durchziehen, 
aber sie kommen zahlreich auch in Gebieten vor, die nie ein römisches Heer betreten hat. 
2. Zur Zeit des Kaisers Augustus war unser Land ganz von germanischen 
Stämmen bewohnt. Die wichtigsten waren: die Cherusker, von der Weser bis 
zum Harz und darüber hinaus; nördlich von ihnen die Angrivarier? die Lango- 
barden im Lüneburgischen (Bardowiek?)! an der Nordseeküste die Chauken und 
westlich von ihnen die Friesen, südlich von diesen die Ampsivarier im Emsgebiete. 
Den Cheruskern und ihrem Fürsten Hermann war es beschieden, Deutschland 
von den Römern zu befreien. — 9 n. Chr. Schlacht im Teutoburger Walde, 16 bei 
Idistaviso und am „Grenzwalle der Angrivarier". 
1 (Es ist klar, daß auf dem Forum Romanum nach der „Gründung der Stadt" 
keine Gräber mehr angelegt werden konnten. Die Vergleichung der Gräberfunde 
ergibt in der Tat, daß die letzten aus der ersten Hälfte des 8. Iahrh. stammen und 
daß hier die vorgeschichtliche mit der geschichtlichen Zeitrechnung zusammentrifft. Das 
ist die Probe auf das Exempel. 
2 S. Bilderanhang S. 68. 
» Der größte der noch vorhandenen fünf Dolmen wird bedeckt durch einen einzigen 
Block von 4,82 X 4,38 m, 0,72 m dick, 1646 Zentner schwer. 
4 Das größte der beiden Gräber ist 17,8 rn, die Grabkammer selbst 9,5 m, ein 
Deckstein fast 3 m lang und wiegt fast 7669 kg. — Andree, Braunschweiger Volks¬ 
kunde. Braunschweig 1961. S. 8 ff.
	        
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