Full text: Landeskunde von Thüringen (Erg.)

— 96 — 
studieren, praktische Lehren daraus zu ziehen und sie in den Manövern und 
sonst zu verwerten. 
Moltke und Roon brachten es gemeinsam dahin, daß das gesamte 
stehende Heer mit dem neuen Zündnadelgewehr versehen wurde. Dieses 
Gewehr war das erste, das von hinten geladen wurde und dadurch ein 
viel schnelleres Schießen ermöglichte. Auch die (gezogenen) Hinterlader¬ 
kanonen wurden nun allgemein eingeführt. 
Auf diese Weise wurde die preußische Armee neugestaltet; im Kriegs¬ 
fälle konnte man nunmehr sofort 400000 Mann aufstellen. 
Unterdes starb der König Friedrich Wilhelm IV. im Anfange des 
Jahres 1861, und der Prinzregent bestieg als König Wilhelm I. den 
preußischen Thron. Am 18. Oktober 1861 krönte er zu Königsberg 
im Beisein seines Hofes und des Landtags sich und die Königin 
mit großer Pracht; es war ein glänzendes Fest, wie es seit des ersten 
Preußenkönigs Zeit nicht mehr gefeiert worden war. Der König wollte 
damit dartun, daß er seine Gewalt von Gottes Gnaden habe, daß er aber 
zugleich getreu der Verfassung zu regieren gedenke. 
Aber als der König nun zum drittenmal mit den Mehrforderungen 
für das Heer vor den Landtag trat, da verweigerte das Abgeordnetenhaus 
die Mittel rundweg, weil keine Kriegsgefahr mehr bestände. Und nun drehte 
sich das Ganze um. Die Liberalen, die auf die Regierung gehofft hatten, 
wurden deren erbittertste Feinde, und die Konservativen, die anfangs der 
Regierung gegnerisch gewesen waren, wurden ihr sehr freundlich. Der König 
entließ deshalb das liberale Ministerium und berief ein konservatives. 
Das Abgeordnetenhaus wurde aufgelöst; aber die Neuwahlen ergaben 
noch mehr Liberale, und auch im Volke begann man dem Könige zu mi߬ 
trauen. König Wilhelm kam in einen furchtbaren inneren Zwiespalt; er 
wollte die Verfassung nicht verletzen, aber auch nicht zurückweichen und die so 
notwendige Heeresreform aufgeben. Da berief er in der höchsten Not auf 
Roons Rat einen neuen Mann, zunächst, um dessen Ansicht zu hören. Das 
war der Gesandte zu Paris, Otto von Bismarck. 
Otto von Bismarck war am 1. April 1815 auf dem Gute Schön¬ 
hausen bei Tangermünde an der Elbe geboren. Er besuchte das Gymnasium 
zum Grauen Kloster zu Berlin und die Universität Göttingen, um Rechts¬ 
und Staatswiffenschaft zu studieren. Von Göttingen ging er nach Berlin, 
wo er sein Examen bestand. Er wurde als Referendar beim Stadtgerichte 
zu Berlin beschäftigt; doch behagte ihm der Justizdienst nicht. Deshalb ent¬ 
sagte er diesem und wurde Regierungsreferendar. Aber auch als solcher 
hielt er es nicht lange aus. Nun widmete er sich dem Studium der Land¬ 
wirtschaft, übernahm darauf erst die Verwaltung eines Familienguts in 
Pommern, dann, nach dem Tode seines Vaters, die des Stammgutes Schön¬ 
hausen bei Tangermünde, von dem er sich seitdem von Bismarck-Schön¬ 
hausen nannte. Seine Kenntnisse wurden bald erkannt, und er wurde 
zum Deichhauptmann, d. h. zum Oberbeamten der Verwaltung der Elbedeiche 
ernannt. 
Als solchen wählte ihn ein Teil der Provinz Sachsen 1847 in den 
Vereinigten Landtag, und von da ab begann sein Wirken für Preußen und 
Deutschland. Er war damals ein entschiedener Anhänger der absoluten
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.