Full text: Landeskunde der Provinz Westfalen und der Fürstentümer Lippe, Schaumburg-Lippe und Waldeck (Erg.)

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Y. Geschichtliche Entwicklung, 
Im Jahre 1815 erhielt Preußen im Wiener Kongreß zunächst seine alten, 
an die Frauzoseu verlorenen westfälischen Länder zurück und bildete nun, 
unter Hinzunahme des Bistums Paderborn, der fürstlichen Abtei Corvey, 
des kölnischen Westfalen (Grafschaft Arnsberg, Sauerland), der Reichs- 
stadt Dortmund, der Grafschaften Nassau-Siegen, Wittgeustein-Wittgeusteiu, 
Wittgenstein-Berleburg, des kölnischen Bestes Recklinghausen und des ganzen 
Bistums Münster die heutige Provinz Westfalen, gegliedert in drei große 
Regierungsbezirke. 
Zum Reg,-Bez. Münster kam außer dem alteu Bistums-Territorium im 
Norden der Lippe der Kreis Recklinghansen im Süden des Flusses, dazu 
die alten Grasschaften Ober-Lingen, Tecklenburg, Steinfurt, Anholt. 
Der große Nordostbezirk Minden wurde gebildet aus den Bistümern 
Minden und Paderborn, der Grafschaft Ravensberg, den Abteien 
Herford und Corvey, den Grafschaften Rietberg und Rheda uebst dem 
früher zu Hannover gehörenden Amt Reckeberg. 
Die übrigen bereits genannten Grafschaften und Städte (Lippstadt, bis 
1850 gemeinsam mit Lippe-Detmold) bildeten den dritten Regierungsbezirk 
mit Arnsberg als Hauptstadt. 
Zu bemerken ist noch, daß die Bewohner der Kreise Siegen und 
Berleburg uicht sächsisch-uiederdeutsch, sondern fränkifch-hochdentsch erscheinen 
in Sitte, Sprache und im Bau des Bauernhauses; auf dem Lande hüben' 
„dat Water", drüben' „das Wasser". Beim sächsischen Bauernhanse alles 
unter einem Dach, beim fränkischen die Tenne, oft auch Stalluug vom Wohn- 
Hause getrennt. 
Die beiden großen Organisatoren der neuen Provinz waren von 1802 
bis 1806 der Freiherr vom Stein, 1815 bis 1844 der erste Ober- 
Präsident Freiherr von Vincke. Münster, 1648 schon caput Westfaliae ge¬ 
nannt, die alte sürstbischösliche Residenz mit herrlichem Schloßbau, eiuer Hoch- 
schule aus der Fürstenbergschen Zeit, vielen aufgehobenen Klöstern, die zu 
Kasernen umgebaut werden konnten, sehr gelegenen Exerzierplätzen, erhielt den 
Vorzug, Sitz der obersten Provinzial- und Militärbehörden zu werden. 
Westfalens streitbare Mannschaft gehört zum Teil dem siebenten, zum 
Teil dem elften Armeekorps an (s. S. 29). 
Unter dem glorreichen Zepter der Hohenzollern hat sich Westfalen 
zu einer der blühendsten Provinzen des preußischen Staates emporgerungen. 
Bildungsanstalten, Industrie, Land- und Forstwirtschaft, Wege- und Kanal- 
bau^, Kunst und Handwerk, Berg- und Hütteuwesen, Heil- und Pflege- 
anstalten stehen aus der Höhe der Zeit. 
Die alten Bauernhäuser, Fachbau mit Strohdach (s. Abb. 20), alte 
Sitten, Trachten und Gebräuche, wie sie Annette v. Droste, Levin Schücking, Karl 
Jmmermann n. a. noch ans der ersten Hälfte des 19. Jahrh. geschildert haben, 
sind meist verschwunden. An Stelle der alten Bauernhäuser in Fachwerk er- 
heben sich heute überall schon massive Ziegelbauten mit Pfannen- oder Schiefer- 
dach, aber noch immer in der Form und Einrichtuug des altsächsischen Hauses, 
Menschen, Vieh und Vorräte, Wohnung, Tenne und Ställe unter einem 
1 Der Dortmund-Emshäfen-Kanal ist vollendet; Schiffshebewerk bei Henrichenburg; 
eine weitere Verbindung von Rhein und Weser im Entstehen. Talsperren an der Ruhr 
und Möhne.
	        
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