Full text: Globuslehre, Außereuropäische Erdteile, Mathematische Geographie (Teil 3)

30 Afrika. 
in Udschidschi am Tanganjikasee aufgefunden hatte, erhielt er vom Besitzer des „Daily Tele- 
graph", einer angesehenen Zeitung in London, und Bennett den Auftrag zur Erkundung 
des weiten, bis dahin völlig unbekannten Gebietes zwischen Nyangwe am Lnalaba und der 
afrikanischen Westküste. Diese Reise „Quer durch den dunklen Erdteil" ist eine der größten 
Entdecknngsfahrten aller Zeiten, und nicht mit Unrecht hat man Stanley den „Kolumbus 
des 19. Jahrhunderts" genannt. 
Am 5. November 1876 begann Stanley von Nyangwe, einem Sitze arabischer Han- 
delsherren, seine Ausreise, nachdem er hier den Beistand Tippu-Tipps, eines schlauen 
arabischen Sklavenhändlers, gewonnen hatte. Dieser begleitete ihn 60 Marschtage lang 
mit einer wohlausgerüsteten und bewaffneten Karawane von 400 Köpfen gegen eine Ent- 
schädignng von 30000 Mark. Bis Nyangwe waren Cameron und Livingstone von San- 
sibar her gekommen. Aber wohin sich der mächtige Strom, der hier bereits 1300 m Breite 
und 7 m Tiefe maß, wandte, ob zum Nil oder zum Niger oder zum Kongo, diese Frage 
war offen geblieben. Stanley überlegte die verschiedenen Möglichkeiten der Weiterreise 
und kam zu dem Entschlüsse, „zum Strom selbst seine Zuflucht zu nehmen" und seinem 
Laufe zu folgen. Kanoes wurden gezimmert und der Vormarsch in der Weise angetreten, 
daß die „Lady Alice", das zerlegbare Schiff Stanleys, und die übrige Flotte am linken 
Ufer dahinfuhr, während der größere Teil der Mannschaft auf dem Lande folgte. Fast 
überall traf man auf feindlich gesinnte Eingeborene, die beim Anblick der Karawane sich 
in den Urwald flüchteten, sodaß die Versorgung mit Lebensmitteln oft nur durch Gewalt 
geschehen konnte. Uberfälle der Neger, die zum Teil Menschenfresser waren, Krankheiten 
und Unglücksfälle und der Urwald, der sich eine kurze Strecke hinter Nyangwe erhob und 
eine unabsehbare Ausdehnung hatte, erschwerten den Vormarsch ungemein. Erdrückend 
heiß war die Luft, uud unaufhörlich tropfte der Tau auf die Reisenden. Bis an die Knie 
reichte der breiige Schlamm des Weges, der durch das Wirrsal der zähen Lianen erst ge- 
hauen werden mußte. Nur die furchtbare Wirkung der Feuerwaffen sicherte der Expedition 
den Eingebornen gegenüber die endgültige Überlegenheit. Weihnachten 1876 kehrte Tippu- 
Tipp mit seinen Leuten zurück, und mit 149 Begleitern setzte nun Stanley die Reise fort. 
Noch immer nahm der Strom seinen Lauf nach N, Katarakt ans Katarakt folgte, und 
schon glaubte Stanley annehmen zu dürfen, daß er sich doch auf dem Nil befinde und Living- 
stone mit seiner Vermutung recht gehabt habe. Da begann sich der Fluß nach Überschreitung 
des Äquators nach W zu wenden, und der 7. Katarakt, der kurz nachher angetroffen 
wurde, bildete den Abschluß der Stufen. 22 Tage waren notwendig gewesen, um die sieben 
Fälle, die der Leiter „Stanley-Fälle" nannte, zu umgeheu. Während der Strom bis jetzt 
zwischen hohen Bergen einen raschen Lauf hatte, verlangsamte sich nun seine Strömung; 
die Ufer wurden niedriger, der Fluß seichter und breiter, und viele Inseln, zumeist bewaldet, 
lagen in seinem Bett. Hier erfuhr Stanley von friedlich gesinnten Negern zuerst den Namen 
des Flusses: Kongo. Zum zweiten Male wurde der Äquator überschritten. 32 Gefechte 
hatte die Expedition im ganzen zu bestehen, bis sie endlich eine seeartige Verbreiterung 
des Stromes erreichte, „StanleY-Pool". Bald verriet das ferne Donnern der Gewässer, 
daß der Kongo eine neue Reihe von Stufen zu überwinden habe, um das Meer zu erreichen. 
Teils zu Land, teils zu Wasser wurde ein Teil der 32 „Livingstone-Fälle" überwunden, 
131 Tage waren dazu notwendig. Immer mürrischer wurden Stanleys Mannschaften, 
und nahe dem Ziele drohte der Expedition in unwirtlicher Gegend und durch die feind- 
selige Haltimg der Eingeborenen der Untergang durch Maugel an Nahrungsmitteln. Da 
beschloß Stanley, das Flußufer zu verlassen und über Land der Küste zuzueilen. Nach 
Boma vorausgeschickte Boten kamen noch rechtzeitig zu den erschöpften Reisenden zurück, 
und am 9. August 1877, 999 Tage nach der Abreise von Sansibar, erreichte Stanley Boma, 
von dem aus der Telegraph alsbald die Nachricht von der größten geographischen Entdeckung 
des Jahrhunderts in alle Teile der Welt trug.
	        
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