v. Hochstetten Stewart-Atoll. 495
so hoch, als Wellen und Wind Sand und Trümmer aufhäufen können,
ringsum das endlose Meer. Der ganze Mineralreichtnm der Erde ist hier
auf ein einziges Mineral zusammengeschrumpft; es ist kohlensaurer Kalk,
welchen Milliarden von Korallentierchen aus der Salzflut abscheiden. In
außerordentlichen Fällen führt der Oeean noch schwimmende Steine her;
so kommen Bimssteine, welche den Boden etwas verbessern, oder in dem
Wurzelwerk angeschwemmter Baumstämme auch andere Steine an, auf
welchen der Bewohner dieser kleinen Welt Muschelschalen schleifen kann,
die ihm als Schneidewerkzeug, als Meffer und Axt dienen.
Die Mannigfaltigkeit der Pflanzenwelt hat hier nnr 20—30 Ver-
treter. Das Meer hat die Samen von üppigeren, reicheren Gestaden
hergeführt und auf den Korallensand ausgeworfen, sie sind aufgegangen,
die Kokospalme, der Baum von tausendfältigem Nutzen, welcher Nahrung,
Hausgeräte, Baumaterial und Kleidung liefert, der „Piui-Pini"- Baum,
aus desfen Stamm sich der Insulaner mittelst der geschärften Muschel
sein Kanoe aushöhlt. Noch beschränkter ist die Tierwelt: kein Vierfüßler,
nur einige Seevögel und Insekten. Die einzige Fleischnahrung liefert das
Meer in Fischen, Krabben und Schaltieren. Man fragt mit Recht, zu
welcher Stufe geistiger und sittlicher EntWickelung es die Menschen bringen
können, welchen die beschränkte Welt einer solchen Koralleninsel zum
Wohuplatz angewiesen ist.
Die Stewart-Jnsnlaner leben indes nicht mehr in diesen Ursprung-
lichsten, einfachsten Verhältnissen. Ein, wie es scheint, ziemlich häufiger
Besuch von Schiffen hat ihnen vieles zugeführt, was ihre Existenz wesent-
lich verbessert. Sie haben nun Schweine, Hühner, Knollengewächse aller
Art, die vortrefflich auf deu Inseln gedeihen, um welche sie wieder andere
Dinge eintauschen können, die zu ihren Bedürfnissen gehören. Ebenso
scheinen sie keine ganz reine polynefische Rasse zu sein. Uns ist vor allem
andern die außerordentliche Verschiedenheit ihrer Gesichtszüge aufgefallen.
Nur wenige machen den Eindruck einer reinen malaiischen Rasse. Von
einer Vermischung mit der Papua-Rasse auf den nahen Salomons-Jnseln
ist keine Spur. Dagegen tragen viele so entschieden europäische Züge,
daß man fast geneigt ist, der Ansicht eines Missionars in Sydney recht
zu gebeu, nach welcher diese Insulaner alle von einem englischen Matrosen
uud einem Weib von den Samoa-Juseln herstammen, die sich im vorigen
Jahrhundert hier niedergelassen.