Full text: Länderkunde des Deutschen Reiches, Mathematische Erdkunde, Wirtschafts- und Verkehrskunde (Teil 6)

Nahrung für sich allein; die Alten konnten gar nicht genug her- 
beischaffen und mußten ihre rechten Kinder hungern lassen. Da 
der junge Kuckuck schnell heranwuchs und größer und stärker 
wurde as seine Stiefgeschwister, so nahm er den meisten Plat 
im Neste für sich in Anspruch und drängte die andern an den 
Rand. Schließlich warf er sogar eins nach dem andern aus dem 
Neste heraus, so daß sie am Boden elend umkommen mußten. 
Den fremden Eindringling aber zogen die Grasmücken mit Mühe 
groß, bis er flügge war. Sie begleiteten ihn auch noch, bis 
gr ordentlich fllegen konnte. Dann verließ er seine Pflege- 
eltern, um sich selbständig durch die Welt zu schlagen. 
Schlimm erging es einem jungen Kuckuck. Es war der, 
dessen Pflegeeltern ihr Nest im Astloche der Weide hatten. 
Als er erwachsen war, zeigte es sich, daß er die Wohnung 
nut Serlassen honnte. Die Tür war für seinen großen Körper 
zu klein. Er mußte ein Gefangener bleiben. Unermũdlich trugen 
ihm seine treuen Pflegeeltern Nahrung herbei. Ja, als sie allein 
den gefrãäßigen Gesellen nicht sãttigen konnten, beteiligten sich 
sogar noch andere Vögel hilfreich an dem Werke. Das währte 
den Sommer über bis tief in den Herbst hinein. Da verkrochen 
sich die Insekten oder starben, und die Pflegeeltern konnten 
Lein Futter mehr finden und zogen endlich fort. Der gefan⸗ 
gene Kuckuck ging elend zugrunde. Im nächsten Jahre kam 
der Jäger an der Weide vorbei und schaute zufällig in das 
tloch, Darin sah er das Gerippe eines Vogels liegen. Da 
fragte er nicht: Was mag das bedeuten? Er wußte genug. 
199. Der Specht. Von Heinrich Bals 
Im grünen Laubwald ist Konzert. Goldammer und Singdrossel 
R lassen ihren Gesang ertönen. Dazwischen schallt der laute Ruf 
des Quckucks. Aber auch der Musikmeister fehlt bei dem Konzerte 
nicht. Hör nur, wie fleißig er den Takt schlägt! Es ist Meister 
Specht, der auf einer alten Eiche sitzt. Betrachte ihn aus nächster 
Nähe und laß ihn selbst seine Lebensgeschichte erzählen! 
„Vor zwei Jahren“, so beginnt er, „erblickte ich in diesem 
Walde das Licht der Welt. Meine Wiege stand drüben in der 
alten Weide. Es war ein dunkles Kämmerlein, das meine Eltern 
für mich und meine Geschwister zurechtgezimmert hatten. Aber es 
war recht bequem und angenehm darin; denn der Boden war mit 
Holzspänen gepolstert. Gar lustig ging es zu, wenn der Vater oder 
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