68 Die deutschen Landschaften.
Westelbien haben die Niedersachsen inne, der größte und wichtigste Volksstamm
des Tieflandes. Der vielfach von dürrer Geest oder ödem Moor gebildete Boden
zwingt die Bewohner zu harter, oft wenig lohnender Arbeit. Der einzelne Bauer
bedarf eines großen Wirtschaftsgebietes und wohnt deshalb oft in einer Einzelsiede-
lung. Aus diesen Natur- und Erwerbsverhältnissen erklärt sich zum großen Teil
die Eigenart der Niedersachsen. Sie sind wenig mitteilsam, ernst und ruhig, einfach
in ihren Sitten; sie besitzen einen hohen praktischen Sinn, ein starkes Selbstbewußt-
sein, gepaart mit Freiheitsliebe. Ebenso ist es erklärlich, daß der niedersächsische
Boden den Künsten nicht günstig war: Minnesang und höfische Poesie fanden hier
keine Stätte.
Erwerb. Im westdeutschen Tiefland überwiegt die Landwirtschaft und Vieh-
zucht. Dazu kommen jene Industrien, die ihre Rohstoffe der Landwirtschaft ent-
nehmen, z. B. Zuckerfabriken, Spiritus- und Branntweinbrennereien, Konserven-
fabriken und Papiermühlen (Stroh!). Die Nähe der Kohlenfelder hat in den süd-
lichen Randgebieten auch andere Industriezweige aufblühen lassen, so in Osnabrück,
Hannover-Linden und Braunschweig.
In den Küstenstädten blühen die mit dem überseeischen Handel und der Schiff-
fahrt zusammenhängenden Industrien. Hier sind zu nennen die Reismühlen Bremens,
die Fabriken von Linoleum, Korkpfropfen, Stärke, Tabak und Zigarren, dann die
Hamburger Fabriken zur Bereitung von Gummi, zur Verarbeitung von Palmkernen
und Kokosnüssen, endlich die Schiffswerften mit ihren vielfältigen Nebenbetrieben.
Das ostelbische Tiefland.
Ausdehnung. Jenseits der Elbe nimmt das Tiefland an Ausdehnung ge-
waltig zu. Dieses größte einheitlich gestaltete Stück Deutschlands wurde deshalb
auch die Wiege des größten deutschen Bundesstaates: hier liegen die ältesten Teile der
preußischen Monarchie, Brandenburg und Ostpreußen, hier der größte Teil des
Königreiches überhaupt.
Bodengestalt. Das östliche Tiefland ist mannigfaltiger gegliedert als
das westliche. Zwei breite, aber niedrige Bodenschwellen, Landrücken genannt,
durchziehen das Gebiet. Dazwischen sind tiefeingesenkte Talmulden. Mehrere
im W sich vereinigende breite Talauen, getrennt durch kaum 50—100 m hohe Er¬
hebungen, stellen die alten „Urstromtäler" dar, in denen die Schmelzwässer des
zurückweichenden Eisrandes sich sammelten und nach der Nordsee abflössen.
Einteilung. Daraus ergibt sich folgende Einteilung des ostelbischen Tieflandes
(abgesehen von den südlichen Tieflandsbuchten):
1. der südliche Landrücken, annähernd dem deutschen Mittelgebirgsrande gleich-
laufend,
2. die Niederung mit den Urstromtälern,
3. der nördliche Landrücken, längs der Ostsee hinziehend, mit seinem seewärts
gelegenen Vorland.