274 Odenwald und Bergstraße.
Nördlich vom Schlosse sehen wir an Stelle des vor einigen Jahren
abgebrannten früheren das neue Hoftheater. Es wird besonders bei
der Ausführung von Opern wol auch von Frankfurt, Mainz, Worms und
der näheren Nachbarschaft aus viel besucht.
Liuks davon stehen zwei Standbilder aus grauem Sandstein: Land¬
graf Philipp der Großmüthige und sein jüngster Sohn Georg I., der bei
der Theilnng der hessischen Lande c>as Gebiet südlich vom Main erhielt,
und somit als Begründer der Darmstädter Linie anzusehen ist. Als er zur
Regierung kam, im Jahre 1567, lag das Schloß in Trümmern; es war bei
der Eroberung der Stadt durch kaiserliche Truppen im Schmalkaldischen
Kriege (1546) zerstört worden. Er begann den Wiederaufbau; aus seiner
Zeit stammen wahrscheinlich noch die ältesten Theile desselben.
Der gleich nördlich sich öffnende „Herreugarten" erscheint etwas ein-
förmig und kann mit den fürstlichen Gärten in Biebrich, München n. s. w.
nicht wetteifern.
Daß das geistige Leben in Darmstadt nicht ungepflegt blieb, geht schon
aus Dem, was über Theater, Bibliothek und Sammlungen gesagt ist, her-
vor. Noch sei erwähnt, daß von Darmstadt aus — durch Zimmermann —
einerseits (andererseits geschah es von Leipzig aus durch Großmaun) der
Grund zum Gustav-Adolf-Verein gelegt wurde; daß gleichfalls von hier aus
durch Spieß der Turnunterricht einen neuen Aufschwung erhalten hat, und
daß endlich Liebig und Gervinns Söhne Darmstadts waren.
Und nun die Gegend? Allerdings fehlt ihr hinsichtlich des malerischen
Eindrucks Manches, z. B. ein Fluß. Aber schöne schattige Waldgänge sind
im Osten in der Nähe, nnd in der Nähe liegen gleichfalls die ersten be-
deutenden Hügel der Bergstraße.
Wir wenden uns, indem wir dazu den Weg durch den schönen Herr-
schaftlichen Garten von Beffnngen wählen, nach dem nächsten von ihnen,
der Ludwigs höhe (242 m). In einer guten halben Stunde haben wir
sie erreicht. Wir können uns an der herrlichen Aussicht erfreuen. Sie
giebt uns einen Vorgeschmack dessen, was wir aus höheren Bergen zu sehen
bekommen; wir beschreiben sie indeß hier noch nicht.
Und nun können wir auf guten Wegen, fast immer, ausgenommen wo
Thäler zu überschreiten sind, in schattigem Walde an der hessischen Bergstraße
von Berg zu Berg, von Burg zu Burg bis uach Auerbach gehen. Zunächst
zieht uns der Berg an, auf dem die Ruinen der Burg Frauken stein
i397 in) liegen. Die Burg selbst, ehemals dem jetzt uoch blühenden, in
Bayern und Oberhessen begüterten Geschlechte der Freiherren von Franken-
stein gehörig, von ihnen im Jahre 1662 an Hessen verkauft, liegt seit der
ersten Halste des vorigen Jahrhunderts in Trümmern, nicht im Kriege
zerstört, sondern vernachlässigt. Ihre Steine, selbst solche mit Inschriften,
wurden in einer Zeit, da man vor Denkmälern früherer Jahrhunderte keine
Achtung hatte, bei anderen Banten benutzt. Neuerlich aber wird sie, sowie
sast alle Ruinen im hessischen Odenwalds, vor gänzlichem Verfall ver-
ständig geschützt. Das Försterhaus neben ihr bietet bei bescheidenen Ansprüchen