Full text: Grundriss der allgemeinen Erdkunde

368 Biologische Erdkunde. 
Wohnraumes, wie z. B. auf Inseln und in engen Gebirgstälern, oder bei 
allzu großer Offenheit, also auf weiten Ebenen. 
Die Abgeschlossenheit beruht auf einer Reihe natürlicher 
Schranken, zu denen in erster Linie das Meer gehört, zu denen aber 
auch Flüsse, Gebirge und unwirtliche Gebiete zu zählen sind. Die Be¬ 
deutung solcher Grenzen ist freilich im Laufe der Zeiten außerordent¬ 
lich wandelbar je nach der Höhe der Kultur der Bewohner, die sie um¬ 
schließen. Infolgedessen fallen sie auch keineswegs immer mit den 
politischen Grenzen zusammen. Allerdings zeigt sich dann bei den Völ¬ 
kern meist das Bestreben, diese mit den natürlichen zur Deckung zu 
bringen, oft mit Gewalt, so daß kriegerische Unternehmungen der Völker 
zuweilen deutlich das Fehlen natürlicher Grenzen verraten. 
Daß es wirklich solche natürliche Schranken gibt, die allen mensch¬ 
lichen Bestimmungen zum Trotz bestehen und sich auch als solche gel¬ 
tend machen, lehrt uns die tatsächliche Gliederung vieler politischer 
Reiche, sowie die Ausbreitung der Völker, die die politischen Grenzen 
überschreitet, und endlich die Zersplitterung einzelner politisch geeinter 
Länder wie Griechenland und Österreich-Ungarn. 
Innerhalb der natürlichen Bezirke verteilen sich die Bewohner je 
nach den allgemeinen geographischen Verhältnissen entweder gleich¬ 
mäßig über die ganze Fläche, z. B. in allen Ackerbaugebieten Deutsch¬ 
lands, oder sie sammeln sich in einem oder mehreren Mittelpunkten, wie 
in Großbritannien, oder endlich sie wohnen peripherisch, wenn die Lebens¬ 
interessen, z. B. die Seeschiffahrt in vielen Mittelmeerländern, es be¬ 
dingen. 
Geographische Lage und Größe des Wohnraumes. 
Im Leben der Völker sind die geographische Lage und die Größe des 
Wohnraumes hervorragend wichtige geographische Tatsachen. Unter der 
geographischen Lage begreift man zunächst die Zugehörigkeit zu einem 
natürlichen Gebiet, zu einem Festland, einer Zone, einem Gebirge, einem 
Klimagebiet usw. Mit der Zugehörigkeit verbindet sich zugleich Wechsel¬ 
wirkung. Ratzel unterscheidet weiter natürliche Lage, die in der Zu¬ 
gehörigkeit gegeben ist, und Nachbarlage, die durch die Beziehung zur 
Umgebung bestimmt wird. Diese Nachbarlage kann zentral oder periphe¬ 
risch (Küstensaum) sein. Dann handelt es sich um eine zusammenhängende 
Lage, der eine zentrale oder zersplitterte gegenübersteht. 
In der Lage ist aber zugleich auch die Größe des Wohnraumes ein-
	        
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