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Das Palladium war ein hölzernes Bild der
Pallas Athene, das, von der Göttin selbst geschnitzt,
bei der Gründung Trojas vom Himmel hernieder¬
gefallen war. Es wurde als das höchste Schutzheilig¬
tum der Stadt in einem innern Tempel der Burg
verehrt, und Troja war unbezwinglich, so lange das
Göttergeschenk in seinen Mauern prangte. Diese
schützende Macht des Bildes erfuhren die Griechen
erst jetzt aus des Wahrsagers Munde, sonst hätten
sie, statt den langen Belagerungskampf zu führen,
von Anfang an nach der Erlangung des Bildes
trachten müssen. Aber wie sollten sie denn jetzt das
schwere Werk bestehen und das Heiligtum mitten aus
der feindlichen Stadt von dannen führen? Da konnte
wieder nur Odysseus helfen. Und der kluge, listen¬
reiche Held übernahm unverzagt die Ausführung des
kühnen Wagstücks und gesellte sich auch diesmal wieder
den tapfern Diomedes als Gefährten bei. Die beiden
Helden schlichen sich, als Bettler verkleidet, in die
Stadt, bemächtigten sich während der Nacht des Götter¬
bildes und kehrten mit demselben glücklich in das
Schiffslager zurück.
So hatten die Griechen nun alles erfüllt, was
durch die Weissagung ihnen zur Eroberung Trojas
auferlegt war: sie hatten der Stadt ihr schützendes
Heiligtum entführt, sie besaßen die siegverheißenden
Pfeile des Herakles, der bogenkundige Held Philoktetes
und der junge Achilleussohn befanden sich in ihrer
Mitte. Der Fall der Stadt schien nahe bevorzustehen.