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Magistrat und dem Stadtverordnetenkollegrum. Die
Mitglieder des letzteren waren von den Bürgern zu wählen, und
darin bestand ihr wesentliches Recht. Unter ihnen gab es keinerlei
Abstufungen, alle waren gleichberechtigt und zur Übernahme von
Ehrenämter:: verpflichtet. Neben ihnen befand sich unter den Stadt¬
bewohnern nur die Klafse der Schutzverwandten. Doch standen der
Erwerbung des Bürgerrechts ferne erheblichen Schwierigkeiten ent¬
gegen. Die Stadtverordneten hatten frei und unabhängig ihre
Entschließungen zu fassen. Die Städteordnung sagte hierzu: „Das
Gesetz und ihre Wahl sind ihre Vollmacht, ihre Überzeugung und
ihre Ansicht vom gemeinen Besten der Stadt ihre Instruktion, ihr
Gewissen aber die Behörde, der sie deshalb Rechenschaft zu geben
haben." In ihren Händen lag auch die Wahl der Magistratsmit¬
glieder. Der Vorsitzende unter diesen war der Bürgermeister, der
nur auf sechs Jahre wählbar sein sollte.
So erwuchs nun den Vertretern der Bürgerschaft ein gutes
Stück gemeinnütziger Arbeit. Das Kirchen- uud Schulwesen, die
Armenfürsorge, die Stiftungen und Anstalten verschiedener Art
unterstanden ihrer Obhut. Für die einzelnen Zweige der Ver¬
waltung wurden besondere Ausschüsse oder „Deputationen" ein¬
gesetzt. Es fehlte unter den Bürgern nicht an Widerstand gegen
die dargebotene Freiheit, da einesteils infolge des geschwundenen
Interesses für öffentliche Angelegenheiten keine Neigung zu ehren¬
amtlicher Tätigkeit vorhanden war und andernteils die Selbst¬
verwaltung auch erhöhte finanzielle Opfer erforderte. Sehr bald
lernten aber die Bürger die neue Ordnung schätzen, und damit wurde
das Interesse am öffentlichen Leben, der Gemeinsinn, von neuem
lebendig. Ganz besonders bewährte sich die Selbstverwaltung in
der Zeit der Befreiungskriege, als die Staatsbehörden ihre Tätig¬
keit teilweise einzustellen genötigt waren.
Mit der neuen Städteordnung standen weitere Reformen in
Verbindung, die Stein teilweise vorbereitet hatte und die durch
Hardenberg zur Ausführung kamen. Es fielen vor allem die ver¬
alteten Zunftschranken und damit z. B. auch Brau- und Mühlen¬
zwang, Verkaufsmonopole der Bäcker und Fleischer und andere
besondere Rechte. Dafür wurde Gewerbefreiheit eingeführt,
der Handel zwischen Stadt und Land freigegeben, Handel und Ver¬
kehr überhaupt von jahrhundertealten Fesseln befreit. Es fehlte
auch hierbei nicht an Widerstand, nud mancher empfand das als
eine Plage, was ihm eine Wohltat sein sollte; denn mit der Ge-
Pätzold. Lehrbuch der Geschichte. III. Teil. 8