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wir über die Paßhöhe zum Zuger See. Während bisher die Fahrt mit oder
wenigstens nicht gegen die allgemeine Windrichtung gegangen war, beginnt
von jetzt an das Manövrieren gegen die Windrichtung, was wir sofort be¬
merken, als wir die Paßhöhe von Küßnacht, auch für uns eine enge Gasse,
überschreiten. Bald sind wir über dem Zuger See, dessen hellblaue Wasser¬
farbe im Vergleich zu den dunklen Wassermassen des Vierwaldstätter Sees
besonders auffällt. Wir wenden uns südwärts zur Enge von Rothenbach,
wo der breite See sich auf weniger als einen Kilometer verengt. Hier
können wir schon beobachten, wie wechselnd die Windstärken im Gebirge
sind. In dem engen Felsenpaß drängen sich die Stromfäden des Windes
derart zusammen, daß wir kaum mit einem Meter Geschwindigkeit vorwärts¬
kommen. Wir müssen also mindestens gegen 14 Meter Wind in der Se¬
kunde ankämpfen. Doch das Felsentor besitzt nur geringe Länge, bald sind
wir im breiten, südlichen Teil des Sees, in flotter Fahrt geht es auf Zug
zu. Wir wollen zum Zürcher See hinüber. Das ist nur möglich, wenn wir
den hohen Felsrücken von Morgen, durch den die Bahn im langen Tunnel
nach dem Zürcher See bricht, überfliegen können. Wir müssen zu diesem
Zweck auf etwa 830 Meter Höhe ansteigen und noch dazu gegen einen
ziemlich lebhaften Nordostwind, der, wie uns später übermittelte Messungen
der Zürcher Zentralstation zeigten, auf dem See mit etwa sechs Meter
strömte, über den Paß aber, wie uns die eigene Erfahrung lehren sollte,
viel stärker dahinbrauste.
Im Vertrauen auf unser wackeres Schiff wurden die Höhensteuer empor¬
gerichtet, und sofort flogen wir in schräger Fahrtrichtung nach oben, über
Baar der Paßhöhe zu. Der Paß von Morgen wird für die Luftschiffahrt
durch einen hohen, tafelförmigen Berg erschwert, an dessen linker Seite
ein enges Tal herabsteigt, durch das wir hindurch mußten. Hier zeigte sich
die Navigation besonders interessant. In dem engen Tal drängten sich die
Luftmassen zu einem neuen, stärkeren Strom zusammen, der noch dazu ab¬
wärts floß und das Aufsteigen des Luftschiffs zu hemmen suchte. Hier
zeigten die Höhen- und Seitensteuer ganz ihre hervorragenden Eigenschaften.
Trotz des absteigenden Luftstroms drückten wir das in allen Fugen zitternde
Luftschiff in die Höhe, uns allmählich, aber sicher der Paßhöhe nähernd.
Das Vorwärtskommen war an einzelnen Punkten, wo die Talbildung sich
stark verengte, besonders schwierig. Mitunter wurden wir tatsächlich zu¬
rückgetrieben, ein Beweis, daß wir zeitweise gegen einen Wind von mehr
als 15 Metersekunden anfuhren. Dann mußten wir andere Teile des Pa߬
überganges durch unsere Seitensteuerung suchen, wo wir einen gewissen
Windschatten vermuten konnten. Bei diesen Drehungen und Abtriften war
das Tal mitunter so eng, daß wir fürchteten, das Heck unseres Schiffes be-