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tragen, daß diese eigentlich norddeutsche Verzierung bei großen und kleinen
Bauten wieder in Ausnahme kommt.
3. Die städtischen Häuser. Das Haus gehört ebenso gut zu dem
Menschen, wie sein Rock und seine Weste, nur mit dem Unterschiede, daß das
Gewand die nähere, das Haus die fernere Hülle ist und ersteres den einzel¬
nen Menschen, letzteres die ganze Familie umschließt. Billig sollte jede Fa¬
milie Haus und Herd für sich haben, wie der einzejpe Mensch seinen Rock
für sich hat. Darauf waren die früheren Häuser in den Städten auch ein¬
gerichtet. Allerdings waren sie nach dem Bedürfniß kleiner oder größer,
aber nie so groß, daß sie für mehr als eine Familie Platz hatten. Sie
standen alle mit dem Giebel nach der Straße. Ein großer Hausflur diente
für den Verkehr. Oben war ebenfalls ein großer Flur, auf dem im Som¬
mer alle Bewohner des Hauses zum gemeinschaftlichen Essen und zu den
Andachten zusammenzukommen pflegten. Außerdem war oben ein großes
Wohnzimmer für die ganze Familie. Für die einzelnen Glieder derselben,
für Vater und Mutter, Sohn und Tochter, gab es in reichen Häusern auch
eigne Zimmer; aber sie waren klein und nicht darauf eingerichtet, daß Men-
schen darin wohnen sollten. Unter dem hohen, spitzen Dach waren die Vor-
rüthe des Hauses geborgen. In den größern Städten waren die Giebel
kunstreich verziert, wie das die zwei schönen Häuser am Schilde in Rostock
noch zeigen; in den ärmern Städten waren sie unansehnlich aufgeführt.
Die Straßen waren eng und krumm; denn jedermann baute, wie es ihm
am passendsten war.
Das ist jetzt anders geworden! Die Straßen in den neuen Theilen der
großen Städte sind breit und gerade, die Häuser sind zwei und mehr Stock¬
werke hoch und mit Kalk übersetzt und meistens so eingerichtet, daß mehrere
Familien darin Platz finden.
4. D as B auern h aus. Ein wundervolles Zeugniß davon, daß
unsere Väter alles mit rechtem Verstand und weiser Umsicht nicht nach luf¬
tigen Gedanken, sondern nach wirklichem Bedürfniß einrichteten, legt das
alte Bauernhaus ab, das glücklicher Weise noch heute in vielen Dörfern
angetroffen wird. Seine Einrichtung ist folgende: Durch einen Thorweg
tritt man von der Straße auf den Hofplatz. Ein schmaler Steindamm führt
hart an der nahe bei der Ausfahrt liegenden Dunggrube vorbei auf das
Haus zu, das mit dem Giebel nach vorne schaut und zu beiden Seiten der
Thüre einen Vorbau für allerlei Kleinvieh enthält. Der Eingang ist hoch
und weit, so daß ein beladener Wagen hindurchfahren kann. Und das muß
er wohl sein; denn er führt zu der großen Diele, die mit Lehm ausgeschla¬
gen und zur Dreschtenne eingerichtet ist. Zu beiden Seiten der Diele liegen
die Viehstülle, die Leutekammer und „die Käst" oder der Häckselraum. Über
der Diele und den Ställen liegt die „Hill", auf welcher Heu und Korn auf¬
bewahrt wird. Hinten am Ende der Diele ist der Herd, von dem der Rauch
durch einen stattlichen Vorrath von Schinken und Würsten hindurch zum
Dache aufsteigt, um sich dort einen Ausweg zu suchen, so gut er ihn findeil
kann. Gewöhnlich steht der Herd frei auf der Diele: zuweilen ist er durch
eine Querwand von derselben geschieden. Hinter dem Herd liegen auf der
einen Seite das Wohnzimmer und die Schlafkammer, auf der andern Seite
die Altentheilsstube und die Vorrathskammer. Dies ist die Einrichtung des
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