Full text: Der Unterricht in der Erdkunde

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endlich wahr ist, daß der Mensch den Zweck des Daseins nur in der Gemeinschaft 
mit seinesgleichen, also in dem häuslichen und bürgerlichen Verein, zu erreichen 
imstande ist: so ist damit nach meinem Ermessen die Behauptung begründet, daß 
von dem ganzen Wissen über die Erde für jeden Schüler die Kenntnis des Raumes, 
in welchem er lebt, und der bürgerlichen und Staatsverhältnisse, die auf ihn ein- 
wirken, und in welchen und auf welche er zu wirken bestimmt ist, das Wichtigste 
und Unentbehrlichste sei." *) Zwar hat unsere Zeit mit ihren weltumspannenden 
Interessen eine größere Beweglichkeit körperlicher und geistiger Art in die Massen 
gebracht; aber dennoch ist die Heimat für den bei weitem größten Teil der 
Menschen der Raum, in welchem, ihr ganzes Leben sich abspielt. Wahre Vater- 
landsliebe hat zudem ihre Wurzeln in der Liebe zur Heimat, Wieviel von der 
jetzt überall in die Erscheinung tretenden nationalen Gleichgültigkeit, von dem 
Mangel an Heimatsinn, von dem großen Umfange des Abzuges aus dem Osten 
unseres Vaterlandes und von der „Landflucht" dem geringen Erfolge der Heimat- 
kuude zugeschrieben werden muß, läßt sich zahlenmäßig schwer feststellen. Ein auf- 
merksamer Beobachter, der die Regungen der Volksseele zu deuten versteht, wird 
den Einfluß dieser Tatsache aber nicht gering anschlagen wollen. 
Es ist daher ein dringendes Bedürfnis für alle unsere Schulen, nicht nur die 
Heimatkunde durch stete Beziehung und Vergleichung der Fremde mit der Heimat 
zum Unterrichtsprinzip für alle Stufen zu erheben, sondern auch am Schlüsse 
des geographischen Lehrganges noch einmal zur Heimat zu- 
rückzukehren und sie in einer dem geförderten Verständnisse der Schüler ent- 
sprechenden Weise zu behandeln. Die Aufgabe der Heimatkunde ist hier die Ver- 
Mittelung einer innerlich zusammenhängenden und eindringenden Kenntnis der Heimat. 
Der Schüler muß Verständnis von den in ihr wirkenden Ursachen, die sich in 
der Besiedlung, in der Beschäftigung, in der Sprache, in dem Kultur- und 
Geistesleben der Bewohner bekunden, gewinnen. Tritt uns doch allein in den 
Verhältnissen der Heimat der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Boden und 
seiner vergangenen und gegenwärtigen Kultur sinnlich wahrnehmbar entgegen. Auch 
einen Einblick in den heimatlichen Verwaltungsorganismus, in die Rechtspflege, in 
das Schul- und Militärwesen erhält der Schüler, da er nur auf diese Weise die 
entsprechenden Einrichtungen des Vaterlandes erfassen kann. Wenn dem Lehrer 
dann auch noch die Gabe verliehen ist, dem Kinde das Auge für die landschaftliche 
Schönheit der Heimat zu öffnen, und wenn er ferner sich bemüht, ihr Bild mit 
dem Blütenkranze des Liedes, der Sage und der Geschichte wirkungsvoll zu um- 
rahmen, dann darf er überzeugt sein, daß er seinen Schülern wahre Bildung über- 
mittelt, in der die Liebe zur Heimat und zum Vaterlande ihre Wurzeln hat und 
und kräftige Nahrung findet. 
C. Der Stoff. 
In den weitaus meisten Fällen wird der Lehrer genötigt sein, den Stoff 
selbst zusammenzutragen und das Anschauungsmaterial zu beschaffen. Das ist nicht 
immer leicht, und der Mißerfolg des heimatkundlichen Unterrichts an vielen Orten 
hat mit in dieser Schwierigkeit seinen Grund. Es gehört dazu eine außerordentlich 
gründliche Kenntnis des Gebietes und seiner geschichtlichen Entwicklung. Am besten 
i) Rheinische Blätter. 1830. 
H- Heinze, Der Unterricht in der Erdkunde. 7
	        
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