i
I
! 84 Die koloniale Stellung der europäischen Mächte.
nur so lange, als es die leitende europäische Großmacht war. Mit dem Miß-
erfolg seiner Armada war auch seine Stellung auf dem Meere und in den Kolonien
erschüttert. Die traurige Rolle, die es dann in der Zeit der französischen Revolution
und der Napoleonischen Herrschaft spielte, brachte sein Ansehen noch mehr ins Wanken.
Dazu haben die Engländer die Unzufriedenheit in den Kolonien eifrig geschürt, so daß
1810 der große Unabhängigkeitskampf der Kolonien in Süd- und Mittelamerika begann.
Er endete mit deren endgültiger Loslösung von Spanien und der Gründung der noch
heute auf dem Boden des alten spanischen Amerika bestehenden Staatswesen. — Die
früher ebenfalls spanischen Marianen und Karolinen gingen 1899 durch Kauf an
das Deutsche Reich über. Im kubanischen Aufstand des Jahres 1898 verlor Spanien
die Philippinen an die Union und zugleich kamen Euba und Portoriko unter
deren Einfluß.
8. Italien
ist erst nach seiner nationalen Einigung Kolonialmacht geworden. Sein Außenbesitz
umfaßt aber nur einen heißen Küstenstrich am Roten Meere, die sog. erythräische
Kolonie und das Somalland. Dabei hat Italien unter allen romanischen Völkern
die stärkste Auswanderung und zugleich die größte Bevölkerungszunahme. Sein natür-
liches Kolonialgebiet, die gegenüberliegende Küste Afrikas haben die Franzosen an sich
gerissen. Die Besetzung von Tunis insbesondere (1881) durch die Franzosen wurde
in Italien als schwere Kränkung empfunden.
!). Dänemark
besitzt an überseeischen Gebieten nur noch die westindischen Inseln St. Thomas,
St. Croix und St. John. Es stand aber schon wiederholt in Verkaufsunterhandlungen
mit den Vereinigten Staaten von Amerika, die namentlich den vortrefflichen Hafen von
St. Thomas zu erwerben wünschen.
10. Mutztand
hat, obwohl der größte und volkreichste Staat, sich bisher um überseeischen Besitz nicht
bemüht. Dagegen errang es im 19. Jahrhundert in Asien glänzende Erfolge. Es
betrieb dort seine Ausbreitung nach SO. und O. mit so großem Glück, daß es trotz
seines Mißerfolges im Kriege mit Japan (1904—1905) noch heute in weitem Bogen
Englands Besitz in Indien sowie China umspannt. Durch dieses sein Vordringen in
Asien hat Rußland aber auch kolonisierend gewirkt, indem ein großer Teil der Er-
Werbungen neu besiedelt worden und durch die Anlage von Eisenbahnen wichtige
Handelsverbindungen geschaffen worden sind.
11. Die Bereinigten Staaten von Amerika.
Die Union galt bis in die jüngste Zeit, da sie nur ein geringes stehendes Heer
besitzt und in europäische Kriege sich nicht einmischte, als der Friedensstaat an sich.
In der Tat aber hat kein Staat im Lause des 19. Jahrhunderts so entschieden Aus¬
dehnungsbestrebungen verfolgt und mit so großartigem Erfolge wie die Union. Der
schlagendste Beweis hierfür ist die Tatsache, daß von den heutigen Bewohnern der
i Union (76 Mill.) mehr als 3/ö, über 46 Millionen, Gebieten angehören, die außerhalb
j jener Staaten liegen, die an der Erhebung gegen England (1776) teilnahmen.