fullscreen: [Teil 2 = Quinta, [Schülerband]] (Teil 2 = Quinta, [Schülerband])

66 
Zuletzt erfuhr er, daß bei der Ermordung des La'ios einer der Diener 
entronnen sei, und daß dieser fern von der Stadt als Hirt noch lebe. 
Sogleich gab Ödipus Befehl, den alten Diener aufs schleunigste 
herbeizuholen. Ehe dieser ankam, erschien ein Bote aus Korinth und 
meldete, daß der König Polybos gestorben sei, und daß die Bürger von 
Korinth den Ödipus auf den erledigten Herrscherthron beriefen. Diese 
Botschaft schien die Trüglichkeit der Orakelsprüche aufs neue zu beweisen; 
denn wenn Polybos, welchen Ödipus noch immer für seinen Vater hielt, 
eines natürlichen Todes gestorben war, so konnte doch die schauerliche 
Weissagung sich nicht erfüllen, daß Ödipus seines Vaters Mörder werden 
würde. 
Aber eine Sorge blieb ihm noch immer; das Orakel hatte ihm 
verkündigt, daß er sich mit seiner Mutter vermählen werde, und seine 
vermeintliche Mutter lebte ja noch in Korinth. Als der korinthische 
Bote ihn von diesem Bedenken reden hörte, rief er aus: „Warum habe 
ich dich nicht gleich von dieser Sorge befreit? Du bist ja gar nicht 
der Sohn des Polybos und der Merope. Wisse, ich selbst empfing dich 
einst, als ich am Berge Kithäron die Herden weidete, aus den Händen 
eines Hirten des Königs La'ios. Du warst noch ein ganz kleines Kind, 
und grausam waren deine Füße durchbohrt und zusammengeschnürt. Aus 
Mitleid brachte ich dich meinem Herrn, dem Könige Polybos, der mit 
seiner Gemahlin Merope dich liebevoll aufnahm und wie sein eigenes 
Kind erzog. Darum bin ich jetzt auch hergekommen, um dir zuerst die 
Botschaft von seinem Tode zu bringen." 
Dieser Bericht klärte Jokaste plötzlich über den furchtbaren Zu¬ 
sammenhang der Dinge auf; sie beschwört den Ödipus, von weiteren 
Nachforschungen abzustehen; da er sich aber nicht davon abbringen läßt, 
so eilt sie mit lautem Weheruf in das Haus. In diesem Augenblicke 
erschien der greise Diener, welchen Ödipus von seinen Herden aus länd¬ 
licher Abgeschiedenheit hatte holen lassen, um ihn über die Ermordung 
des Königs La'ios auszufragen. In ihm erkannte der korinthische Bote 
sogleich denselben Hirten, der ihm vor langen Jahren auf dem Kithäron 
den Knaben übergeben hatte. Der Alte merkte schnell, um was es sich 
handelte, und zögerte, auf die Fragen des Königs einzugehen; als jedoch 
Ödipus ihn mit dem Tode bedrohte, hielt er nicht länger zurück und 
bekannte nicht nur, daß jenes Knäblein, das ihm zum Aussetzen über¬ 
liefert worden, das Kind des La'ios und der Jokaste gewesen sei, sondern 
auch daß jener Fremdling, der einst den alten König in dem Hohlwege 
erschlagen habe, niemand anders sei als Ödipus. 
Nun liegt die furchtbare Wahrheit klar zu Tage, in voller Ver¬ 
zweiflung stürzt auch Ödipus in den Palast. Hier bietet sich ihm ein 
grauenhafter Anblick. Jokaste hatte die Last ihrer Schuld nicht länger 
zu tragen vermocht und sich mit einem Strange den Tod gegeben. In
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.