1. Bodenerzeugnisse und Verkehrslinien :c. der Mitteldeutschen Gebirgsschwelle. 65
Wesentlich später als das Rheintal trat die zweite Öffnung in der Mittel-
deutschen Gebirgsschwelle, die Hessische Senke, als bedeutende Verkehrsader auf,
wenn auch schon zur Römerzeit Handels- und Kriegszüge sie benutzten. Sie ge-
langte zu hoher Bedeutung, als im Mittelalter die Hanse im Norden erblühte.
Diese Bedeutung ist in der Neuzeit noch gewachsen, seitdem der Ausgang der viel
bequemeren Rheinstraße in den Händen einer fremden Macht liegt, obschon der
schiffbare Strom fehlt. Denn die Weser ist nur für kleinere Fahrzeuge benutzbar.
So bewegt sich denn der Verkehr zu Lande von Frankfurt durch die Wetterau,
das Tal der oberen Lahn und der unteren Schwalm und Fulda entlang nach der
Göttinger Senke, um bei Hannover in das Tiefland einzumünden.
Als später die deutsche Kolonisation sich im Osten Norddeutschlands aus-
dehnte, wurde die Linie von Wichtigkeit, welche vom Nordende des Oberrheinischen
Tiestandes ausgeht, zwischen Vogelsberg und Rhön der Thüringischen Pforte bei
Eisenach zustrebt und nach Durchmessung von Süd-Thüringen in der Leipziger
Bucht ausmündet. Der in den letzten Jahrzehnten erfolgte politische Zusammen-
schluß Deutschlands hat den Verkehr zwischen Nord und Süd mächtig gesteigert
und schon überschreiten zwei Parallelbahnen Thüringer- und Frankenwald in
schwierigen Übergängen, um Schwaben und Franken in engere Verbindung mit
dem Nordosten zu bringen. (Stuttgart—Würzburg-^Ritschenhausen—Erfurt und
Bamberg—Probstzella—Halle.)
Die außerordentliche Wegsamkeit der Gebirgsschwelle erstreckt sich aber nicht
bloß in meridionaler Richtung, auch von Osten nach Westen ist sie in ausgezeich-
neter Weise erschlossen. Es ist leicht, Thüringen in ostwestlicher Richtung zu
durchqueren und die mannigfachen Durchbrüche zu erreichen, welche das Hessische
Waldgebirge aufweist. Die letztern führen aber zur Lahn- nnd Mofeltalung, die
durch die Erwerbung von Lothringen höhere Bedeutung erlangte. Lothringen
wurde mit dem Nordosten durch die Berlin-Metzer Eisenbahn verbunden, welche
namentlich das Moseltal dem Weltverkehr erschloß.
Weit älter nnd wichtiger ist die westöstliche Verkehrslinie, welche sich im
nördlichen Vorlande hart am Nordsaume der Landschaft entlang zieht. Sie
wurde schon von den römischen Erobernngszügen eingeschlagen, auf ihr drang auch
Karl der Große in das Sachsenland ein. Die Bedeutung dieses Weges liegt
darin, daß nördlich von ihm die ausgedehnten nordwestdeutschen Moore jeden
Verkehr hindern und daß er im Westen als Ausgangspunkt die üppigen Gefilde
Belgiens hat, welche über die verflachten Ardennen unmittelbar mit dem reichen
Nordfrankreich zusammenhängen. Im Mittelalter war die Hanse die Gebieterin
dieses Straßenzuges. Sie verbot den Niederländern die freie Schiffahrt auf der
Ostsee, und so mußten alle Erzeugnisse von Flandern und Brabant auf dem
Landwege, also durch das nördliche Vorland, nach dem Ausfuhrhafen Lübeck
gebracht werden. Als aber im 16. Jahrhundert die Niederländer die freie Schiff-
fahrt im Baltischen Meere erzwangen, als vollends unter spanischem Drucke die
reichen südlichen Niederlande dahinsiechten, verödete auch dieser Handelsweg. Erst
im Laufe des 19. Jahrhunderts, als die ehedem spanischen Niederlande erstarkten
und ihre sowie des nördlichen Rheinischen Schiefergebirges Kohlen- und Eisenschätze
ausgebeutet wurden, gelangte der Straßenzug rasch zu hoher Blüte. Am Nord-
säume des Linksrheinischen Schiefergebirges betritt dieser Handelsweg das Deutsche