2. Bildungsweise und Verkehrswege des Norddeutschen Tieflandes.
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2. Mtdungsweise und AerKehrswege des Norddeutschen Tieflandes.
Bildungsweise. Das Norddeutsche Tiesland ist seiner Oberflächenbeschaffen-
heit nach ein niedriges Flachland. Freilich als vollkommene Ebenen er-
scheinen nur die Marschen an den Gestaden der Nord- und Ostsee, die Deltas an
den Mündungen der Flüsse nnd die sog. Grünlands- oder Unterwassermoore in
den Niederungen der Flüsse. Die übrigen Teile des Tieflandes weisen erhebliche
Höhenunterschiede (Turmberg bei Danzig 331 m) und einen mannigfachen Wechsel
der Bodengestaltung in Hügel-, Tal- und Beckenformen auf.
Vermutlich schon zur Zeit, als die Straße von Calais noch geschlossen und
die südwestlichste Bucht der Nordsee uoch ein verhältnismäßig ruhiges Wasser war,
begann der Aufbau des Marschlandes, eines Anschwemrnungsgebildes des Meeres
und der Ströme.
Unter der Einwirkung der Flut, der Winde und der Meeresströmungen
wurden dann die Dünen aufgeworfen, um freilich oft genug von den Sturm-
fluten der Nordsee wieder zerstört zu werden. Ihren Angriffen fiel die einst
geschlossene Dünenkette der Nordsee zum Opfer, die nun als Friesische Inseln
die niederländische und deutsche Küste begleitet. Streckenweise, so vor den Mün-
düngen der Jade, Weser nnd Elbe, sind auch die Düneninseln völlig verschwunden
nnd uördlich von der Eidermündung liegt nur uoch eine Gruppe flacher Eilande,
die Halligen, deren Tage gezählt sind.
Das ganze flache Binnenland im Norden des Reiches verdankt seine jetzige
Oberflächengestaltung — ähnlich wie die Oberdeutsche Hochfläche — der Eis¬
zeit. Von Skandinavien, das wie heute Grönland von Inlandeis überzogen
war, verbreiteten sich strahlenförmig mächtige Gletscherströme gegen Westen über
das jetzige Gebiet der Nordsee nach Schottland und England, gegen Südwesten
nach Holland, gegen Süden und Südosten über die Ostsee nach Norddeutschland
So sind in Sachsen Granite aus Mittel-
Steinmaterial durch den mstransport nach
Deutschland geschafft wurden, läßt sich daraus ermessen, daß das Gletschergeschiebe
bei Kottbus 160 m, bei Hamburg 100 m, an den südlichen Grenzen seiner Ver-
breitung, z. B. bei Halle, immer noch 15—20 m mächtig ist. Durchschnittlich liegt
das aus Skandinavien stammende Bodenmaterial auf der deutschen Ebene reichlich
30 m hoch; man könnte mit dieser Masse die ganze Ostsee anderthalbmal ausfüllen.
Mächtige Granitblöcke wurden auf diese Weise aus dem Norden herbei-
geschleppt. Es mag, um dies anschaulich zu machen, nur daran erinnert werden,
daß aus einem der größten dieser erratischen Blöcke die riesige Schale aus rotem
Granit hergestellt ist, die vor der großen Freitreppe des Alten Museums in Berlin
jedem Besncher des Lustgartens sofort auffällt. Diese Schale, 7 m im Durch¬
messer und 75000 kg schwer, ist aus einer Steinmasse herausgearbeitet, die zehn-
mal so schwer war als die Schale und dennoch nur die Hälfte eines Riesensteines
bildete, der 45 km südöstlich von Berlin bei dem alten Bischofssitze von Fürsten-
walde aus der Höhe der Raueuberge lag und der Markgrafenstein hieß. Andere
solche Findlingsblöcke dienten schon in der Urzeit nnsern Vorvätern zum Ausbau
ihrer Grabkammeru und zur Umhegung ihrer heiligen Stätten, die vom Volke