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Ferse durchfurcht. Der bedeutendste dieser Flüsse ist die Brahe.
Sie kommt aus einem kleinen pvmmerscheu Grenzsee, durcheilt iu ihrem
vielgekrümmten Oberlaufe zahlreiche Seen und fließt dann durch das
waldreiche Gebiet der Tu cheler Heide. Diese ist besser als ihr
Ruf. Neben ausgedehnten Nadelwäldern, Sumpf- nnd Heidestrecken
trifft man auch ertragreiche Ackerfelder, die infolge von Entwäfserungs-
und Überrieseluugsarbeiteu immer mehr an Ausdehnung gewinnen.
Auch entschädigt den Wanderer in diesem dünnbevölkerten Landstrich
(unter 25 Leute auf 1 qkm) der Anblick landschaftlicher Schönheiten,
der ihn vergessen läßt, daß er sich im tiefsten Heidegebiet befindet. —
Die Bevölkerung ist in diesem westpreußischeu und dem angrenzenden
posenschen Teil des Seenrückens zn 2/3 polnischer Abstammung und
katholischer Konfession.
Die Nordwestabdachnng des Landrückens erfüllt das Gebiet
von Hinterpommern. Hier eilen die Küsteuflüfse Rega, Persante,
Wipp er, Stolpe, Lupow und Leba (letztere bereits im Gebiete der
Kassubei) der Ostsee zu. Die Täler der Flüsse werdeu vou eiuzelueu
Höhenzügen begleitet, die vom Rücken des Höhenzuges gegen das Meer
hin streichen und hier und da bedeutende Erhebungen aufweisen, Zn
ihnen gehört der Steinberg (240 m), die höchste Erhebung Pommerns.
Die bedeutendsten Seen sind der Plönesee und der durch kanalisierten
Abfluß mit demselben verbundene Madüsee, der größte pommersche
Landsee, in dem die geschätzte große Maräne lebt,*) die sonst in Deutsch-
laud nur noch in einigen ostpreußischen Gewässern vorkommt.
Die Bewohner von Hinterpommern sind — abgesehen von den
Kassubeu — Deutsche uud durchweg evaugelisch, ein kräftiger
Menschenschlag vou mauuhastem Sinn, voller Liebe zum Althergebrachte»,
bedächtig und laugsam, ja schwerfällig, gutmütig uud treuherzig, oft
von derbeu Formen im Umgange, Ihrem Könige sind die Pommern
unwandelbar treu ergeben, im Kriege ausdauernd und heldenmütig, wie sich
dies im Siebenjährigen Kriege, den Freiheitskriegen und 1870/71 Herr-
lich bewährt hat**). Die Hauptuahruugsquelle der Bevölkerung
ist Ackerbau uud Viehzucht; besonders sind die pommerschen Schafe,
Schweine nnd Gänse berühmt. Neben dem Großgrundbesitz (darunter
die Güter der Bismarckschen Familie bei Varzin) ist in Hinter-
Pommern der Bauernstand sehr reichlich vertreten. Die Fruchtbarkeit
des Bodens ist ungleich; doch finden sich anch äußerst fruchtbare
*) Mönche des ehemaligen Cisterzienserklofters Kolpatz sollen einst diesen
Fisch aus Italien nach diesem See gebracht haben.
**) Friedrich der Große bezeichnete die Pommern als die erste Stütze des
preußischen Staates und urteilt über sie in seinem politischen Testament 1768
also: „Die Pommern haben etwas Ungekünsteltes; sie würden nicht ohne Geist
sein, wenn sie besser gebildet wären; niemals aber lverden sie schlau und ver
schlagen sein. Der gemeine Mann ist argwöhnisch und hartnäckig; sie sind
eigennützig, aber weder grausam noch blutdürstig, und ihre Sitten zumeist sanft.
Man bedarf also keiner Strenge, sie zu regieren. Sie geben gute Offiziere,
vortreffliche Soldaten ab; manche leisten im Finanzfache gute Dienste; ver-
gebens aber würde man aus ihnen politische Unterhändler machen wollen."