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Verkehrs dankt die Provinz größtenteils deutscher Arbeit und der segens-
reichen Fürsorge der Hohenzollernfürsten.
An dem Polen rühmte man von jeher Liebenswürdigkeit in der
persönlichen Erscheinung, Gastfreiheit, angeborenes Schönheitsgefühl,
leichte und schnelle Auffassungsgabe. Rasch und lebhaft ist sein Em-
pftnden, glühend seine Liebe für seine Religion, sein Volkstum und
seine Muttersprache. Der polnische Arbeiter ist geschickt und anstellig,
genügsam und willig, auch ein guter Soldat. Leider ist er auch ein
Liebhaber des Branntweins, der in den vielen Brennereien im Lande
selbst bereitet wird. Eine eigentümliche Erscheinung im Wirtschaftsleben
der Landbevölkerung in Posen und Westpreußen ist die sogenannte
„Sachsengängerei". Tausende von polnischen Landarbeitern ziehen im
Frühjahr nach den Rübenländern und Industriegebieten des Westens,
aber nur Hunderte kehren zu Beginn des Winters mit ihrem ersparten
Verdienst wieder heim. In und um Berlin, in der Gegend von
Magdeburg, Halberstadt, Eisleben und andern Gebieten der Provinz
Sachsen, ferner um Leipzig und in den westfälischen Jndustriebezirken
gibt es viele Polenkolonien. In den größten derselben findet polnisch-
katholischer Gottesdienst statt, uud es erscheinen auch polnische Zeitungen.
Durch diese Wanderzüge erwächst der Landwirtschaft des Ostens großer
Schaden. — Dem polnischen Adel wirft man bei Anerkennung aller
oben genanuteu guten Eigenschaften Leichtlebigkeit und Vernachlässigung
seiner wirtschaftlichen Verhältnisse vor. Die ,,polnische Wirtschaft" ist
beim Deutschen sprichwörtlich geworden. Durch leichtsinnige Ver-
schwendung sind viele ehemals reiche polnische Adelsfamilien bettelarm
geworden. Mit Ausnahme einiger Bezirke im Südosten der Provinz
Posen sind fast alle Polen katholisch. Die einflußreiche polnische
Geistlichkeit vertritt sehr eifrig die Sache der Religion und des
polnischen Volkstums.
Landwirtschaft mit landwirtschaftlicher Industrie ist
die Hauptnahrungsquelle der Bevölkerung. In den Städten haben
Gewerbfleiß und Handel ihre Heimstätte. Letzterer ist größtenteils
Zwischenhandel zwischen Rußland und den Binnenländern Deutschlands
und wird durch ein verhältnismäßig dichtes Bahn netz, die Wasser-
straßen der Warthe und Netze und durch den 30 km langen Brom-
berger Kanal gefördert. Dieser wurde 1772/73 von Friedrich dem
Großen erbaut, hat im ganzen 10 Schleusenwerke (8 zur Brahetreppe, 2 zur
Netzetreppe gehörig) und wird bei der höchsten Teilstrecke durch den Speisekanal
aus der obern Netze mit Wasser versehen. Er dient vorzugsweise der Holz-
flößerei und dem Getreidehandel. Der Bergbau liefert Salz (Jnow-
razlaw) und Brannkohlen.
3. Ortskunde.
Posen (117 Tsd. E.), Hst. der Provinz, in der Mitte derselben
an der Warthe gelegen, starke Festung, welche die große ostwestliche
Verkehrsstraße nach Berlin deckt, gehört zu den ältesten Städten des
Posener Landes, war lange Zeit Herrschersitz der großpolnischen Herzöge
und bereits im Mittelalter eine bedeutende Handelsstadt mit mancherlei
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