Object: Alte deutsche und mittlere allgemeine Geschichte bis Ende der Hohenstaufenzeit (Teil 2)

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sandte Papst Gregor (der Große) gegen Ende des 6ten Jahrhunderts 
GlanbensLoten zu ihnen, um sie für das Evangelium zu gewinnen. 
Diese Männer wirkten auch mit Segen, gründeten überall Kirchen, 
Klöster und Schulen und brachten bald gar viele zu dem Glauben an 
den einigen Gott. Als nun in England das Christenthum festen Fuß 
gefaßt hatte, da richteten sich die Blicke auf die stammverwandten 
Völker in Deutschland, und mehrere kühne angelsächsische Priester zogen 
hinüber, denjenigen, welche noch „im Schatten des Todes saßen," das 
herrliche Licht zu bringen. Unter diesen kühnen, frommen Männern 
war Bonifacius der ausgezeichnetste, und deshalb nennt ihn die 
Geschichte auch den Apostel der Deutschen. 
Bonifacius stammte aus einer vornehmen Familie, wurde 680 
in der Nähe von Exet er (eckster), im südwestlichen England geboren 
und erhielt in der Taufe den Namen Winfried (Friedengewinner, 
Sieger). Weil er von Kindheit an einen frommen Sinn und große 
Lernlust befaß, bestürmte er seinen Vater mit Bitten, ihn in ein 
Kloster zu schicken — andere Schulen gab es damals nicht —, damit 
er sich dort ausbilden könne. Dem Vater war das nicht ganz recht, 
weil er gehe ff t hatte, daß Winfried einst ein bedeutendes weltliches 
Amt in England bekleiden könne; aber endlich gab er doch dem Wunsche 
des eifrigen Knaben nach. Winfried zeichnete sich im Kloster bald vor 
allen seinen Mitschülern aus, nicht allein durch Kenntnisse, sondern 
vor allen Dingen auch durch seinen frommen, echt christlichen Sinn. 
In feiner Jugend hatte er oft die Lehrer klagen hören, daß noch so 
viele Millionen von dem Christenthum nichts wissen und wie es noth 
thue, daß auch denen endlich das Christenthum verkündet werde, und 
er hatte dann gedacht: „Bin ich nur erst ein Mann, dann will ich 
hinausgehen und mit Gottes Hilfe unfern heiligen Glauben verkün¬ 
den." Kaum war er ins Jünglingsalter getreten, als er den Abt 
(Vorsteher des Klosters) um die Erlaubniß bat, nach Deutschland gehen 
und das Christenthum predigen zu dürfen; aber dieser willigte nicht 
ein, sondern sagte: „Du mußt nicht glauben, mein Winfried, daß das 
Amt eines Glaubensboten leicht ist. Kenntnisse und frommer Sinn 
genügen nicht allein; es gehört dazu ein kräftiger Körper, der Hunger 
und Durst, Frost, Nachtwachen und beschwerliche Märsche ertragen 
kann. Warte noch, mein Sohn, deine Zeit kommt auch, wenn du ein 
kräftiger Mann geworden bist." Traurig fügte sich Winfried; aber 
als er 25 Jahre alt geworden war, da ließ er sich nicht länger halten 
und ging mit zwei gleichgesinnten Freunden zu den Friesen an der 
Nordwestküste Deutschlands, unter denen schon früher der Angelsachse 
Willibrord das Christenthum gepredigt hatte. Aber er konnte 
nichts ausrichten; denn der Friesenkönig Radbod war gerade in einen 
Krieg mit Karl Martell gerathen und sah jeden Glaubensboten mit 
mißtrauischen Augen an, obwohl er früher freilich dem Christenthum
	        
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