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nicht verwinden konnte und den König gewissermaßen zwingen wollte,
ihm die Leitung der Geschäfte wieder anzubieten, der Dichter La¬
martine, der mit einer schlagenden Beredsamkeit begabt war, aber
nur unbestimmte Ideale von Volksfreiheit und Volkssouveränität zum
Ausdruck brachte, und Odilon Barrot, ein Mann, der in den
Ideen von 1789 lebte. Sie griffen bei jeder Gelegenheit nnd be¬
sonders auch in der Kammer das ganze Regierungssystem an, beschul¬
digten den Minister, daß er die Verfassung verletze, aber sie dachten nicht
daran, den König zu entthronen. Ihre nächste Forderung war eine
Resorm des Wahlgesetzes. Sie trugen darauf an, daß alle von der
Regierung abhängige Beamte aus der Deputiertenliste entfernt würden.
Auch nachdem dieser Antrag von der Kammer, in der das Ministerium
noch immer auf eine starke Majorität zählen konnte, abgelehnt worden
war, ließen die Führer der Opposition ihren Plan nicht fallen,
sondern brachten den weitergehenden Vorschlag ein, den Census ^Steuer-
betrag) der Wähler von 290 auf 100 Fr. zu vermindern und die
Zahl der Deputierten zu erhöhen. Man hoffte damit die Kammer im
demokratischen Sinne umzuwandeln. Als auch dies verworfen wurde,
wandte man sich an das Publikum und suchte bei Banketten, an
denen nicht selten tausend und mehr Menschen teilnahmen, die öffent¬
liche Meinung gegen das Ministerium aufzuregen. In allen größeren
Städten gab es Reformbankette. Thiers hielt sich äußerlich fern, war
aber desto mehr im geheimen thätig. In dieser kritischen Zeit (im
September 1847) wurde Guizot, der bisher bereits die Seele des
Ministeriums gewesen war, durch königliche Ordonnanz zum Minister¬
präsidenten erhoben, was den Anschein erweckte, als wollte der
König selbst den Wünschen des Volkes durchaus nicht entgegenkommen.
Guizot unterschätzte die Mißstimmung im Lande. Wiederholt hatten
verschiedene Parteien, Legitimisten (Anhänger ber älteren Linie
der Bourbons), Repulikaner und Anarchisten (Umsturzmänner),
Volksausstände in Scene gesetzt, und immer war die Regierung mit
Hilfe der Natioualgarde Sieger geblieben. Warum sollte dies nicht
auch jetzt gelingen? Als im Dezember 1847 die Kammern wieder zu¬
sammentraten, hatte die Opposition große Fortschritte gemacht. La¬
martine nnd seine Freunde erinnerten bereits an die Revolution von
1789 und erklärten, daß die ersten Rechte der Nation, das Versammlungs¬
recht und die Freiheit der Presse, bedroht seien. Selbst die Konser¬
vativen (die Erhaltenden) wünschten eine Änderung des Wahlmodus.
Der Groll gegen das Ministerium stieg von Tag zu Tag. Die Oppo-