Full text: Länderkunde Europas (Teil 2)

B. Das Nordwesteuropäische Schollenland. — 1. Frankreichs 231 
b) Siedlungen. Flandern, schon zum größten Teile dem Belgischen Tieflande 
angehörig, erblühte wegen seiner von Belgien herüberstreichenden Kohlenlager zur 
gewerblichsten und am dichtesten bevölkerten Landschaft Nordfrankreichs. Die ur- 
sprüuglich flämische Bevölkerung ist immer mehr französisch geworden, doch ist das 
plattdeutsche Flämisch noch nicht ganz verdrängt. Dünkirchen (b. i. Kirche in den 
Dünen, 40) hat als Hafen und durch Seefischerei Bedeutung, Lille (220), gleich 
Dünkirchen stark befestigt, und Roubaix (125) sind Hauptsitze der Spinnerei und 
Weberei. Valenciennes (35), der Mittelpunkt des nordfranzösischen Eisen- und 
Steinkohlengebietes, hat durch seine Spitzenherstellung Weltruf erlangt. Die Be- 
völkerung der Provinzen Artois und Picardie nährt sich teils von Landwirt- 
schuft, teils von Industrie, die von Flandern her vorgedrungen ist. Calais (70) 
vermittelt den Personenverkehr (nach Dover in •§■ Stunden), Boulo gue (60) den 
Warenverkehr nach England. Amiens (100) hat bedeutende Weberei. In der 
Champagne, einer im W (Champagne pouilleuse) dürren,' aber an den sonnigen 
Talgehängen vorzüglichen Wein liefernden Kreidehochfläche, sind der einstige Krö- 
nungsort Reims [rängs] (120) und Epernay als Hauptsitze der Schaumwein- 
bereituug und Troy es (55) durch Wollweberei bekannt, die hier infolge der in der 
Umgebung betriebenen Schafzucht zur Entwicklung gelangte. 
In Jsle de France liegt am Vereinigungspunkte von vielen natürlichen Straßen 
und 20 Eisenbahnlinien Paris (Bild 130), in jeder Beziehung die Hauptstadt des 
Landes (2900). Durch die leichte Verbindung mit der Loire und dem Rhone wurde die 
ursprüngliche Hauptstadt Nordfrankreichs zur Hauptstadt des gauzen Landes und zur 
bedeutendsten Großstadt Westeuropas. Der älteste Stadtteil, la Cite, liegt auf einer 
Insel der Seine; denn die Stadt verdankt ihre Entstehung einer Schutzanlage auf 
Flußinseln (daher „Jsle de France"). Im 8 der Seine entwickelte sich die alte 
Stadt der Gelehrsamkeit (quartier latin), im N die heute weit größere und ansehn- 
lichere Geschäftsstadt. Den vornehmsten Teil bildet die Nachbarschaft der Elysäischen 
Felder an den Ufern der Seine. Die alten Festungswerke, Bollwerke, wurden ab- 
getragen und schufen Raum für die breiten und stark belebten Boulevards, deren 
konzentrischer Verlauf die alten Grenzen der Stadt angibt. Paris ist der alleinige 
Mittelpunkt des französischen Geisteslebens (Universität, Akademien, 
Kunstsammlungen, Prachtbauten), der Hauptsitz der Industrie des Landes. 
Es erzeugt hauptsächlich „Pariser Artikel", d. s. Kunst-, Luxus- und Modewaren. 
Als Sammelplatz auch für die im Lande hergestellten Industriewaren wurde es der 
Mittelpunkt des französischen Welt Handels, ein Bank- und Börsen- 
platz erste» Ranges und die Stätte glänzender Weltausstellungen. Sein Flußhafen 
erzielt einen größeren Warenumsatz als Marseille. Da „ParisFrankreich ist", wurde 
es stark befestigt. Die Stadt ist heute die umfangreichste Festung der Erde; 
die am weitesten hinausgeschobene Befestigungslinie hat eine Länge von 125 km und 
schließt eine Fläche von 900 qkm ein. Zum Pariser Jndustriebezirk zählen Ver- 
sailles (60) (Schloß, Kaiserproklamation 1871), Sevres mit altberühmter Por- 
zellanindustrie und St. Denis (70), die Begräbnisstätte der französischen Könige. 
In dem Obstweinlande der Normandie steht Le Havre (135), das „franzö- 
fische Liverpool", mit starker Baumwolleinfuhr, als wichtigster Ausfuhr- und Aus- 
Wandererhasen des Landes, dazu als Hafen von Paris in regem Verkehr mit Eng- 
land, der Union und dem Deutschen Reiche. Rouen (mit Vororten 125) blieb nur 
Seehafen für kleinere Schiffe, wurde aber ein hervorragender Fabrikplatz für Baum- 
Wollweberei. — Auf der Halbinsel Cötentin ist Eherbourg (45) infolge groß- 
artiger Dammbauten der wichtigste Kriegshafen Frankreichs und ein bevorzugter 
Schnellverkehrshafen für die Nordamerika-Linien.
	        
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