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Länderkunde. — Europa.
Einflusses im geistigen Leben nicht die ausschließliche Führerrolle im Deutschen
Reiche gewinnen.
Die Bevölkerung Berlins hat sich von 1808 bis 1908 verzehnfacht; sie setzte
sich allmählich zusammen aus zähen niedersächsischen und wendischen Branden-
bürgern, geistig beweglichen französischen Resngies und zugewanderten Elementen
aus ganz Deutschland. Den „Spree-Athener" kennzeichnen unternehmungslustige
Tatkraft, Ausdauer, Lebhaftigkeit und Schärfe des Verstandes, beißender Witz,
Humor und Hilfswilligkeit.
Die günstige Verkehrslage ermöglichte bequeme Herbeischaffung von Kohlen
und von Rohstoffen jeder Art. So stieg Berlin zum größten und vielseitig-
sten Jndnstrieplatz des Deutschen Reiches empor, der in der Herstellung von
Bekleidung, von Luxus- und Kunstgegenständen, Bearbeitung von Holz-und Schnitz¬
stoffen (Möbel), Metallverarbeitung (Maschinenbau), Anfertigung von chirurgischen
und optischen Werkzeugen, in der Elektrotechnik, der chemischen, Porzellan- und
Glasindustrie besonders hervorragt. Dadurch gewann der Handel, der seit langem
in Wolle, Getreide und Holz große Werte umsetzte, neue Anregung und die erste
Stelle im Binnenlande. Deshalb konnte Berlin auch der erste deutsche und der dritte
europäische Börsenplatz (nach London und Paris) werden. (Zwanzig große Banken
außer der Reichsbank.)
Als bedeutendster Brennpunkt des geistigen Lebens hat Berlin die größte
Universität des Deutschen Reiches, die Akademien der Wissenschaften und der Künste,
die hervorragendsten Bibliotheken und Museen Deutschlands, den Generalstab, die
Kriegsakademie. In Buchdruck und Buchhandel steht es in Wettbewerb mit Leipzig.
Dazu treten die Groß-Berlin angehörenden Hochschulen und die Physikalisch-Tech-
nische Reichsanstalt in Charlottenburg.
So arm Berlin an mittelalterlichen Bauwerken ist, so reich ist es, besonders
seit es Sitz der obersten Reichsbehörden wurde, an prachtvollen modernen Bauten,
an großartigen Straßen und an Denkmälern. Die Mitte der Stadt bildet noch
heute dasSchloß auf derSpree-Jnfel, daran schließen sich das Monumentalviertel
Museen, Dom, Unter den Linden, Reichstagsgebäude, Wilhelmstraße) und die
Paläste der Banken und Handelshäuser. Im 8, 0 und N liegen, teilweise hinauf¬
steigend auf dieHügelwellen, die Fabriken und Arbeiterwohnungen, im prunkreichen
Westen, am Tiergarten, die Villen der Reichen, im Kranze der Vororte die freund-
lichen und gesunden Wohnungen des wohlhabenden Mittelstandes. Durch die Vor-
orte, unter denen nächst Charlottenburg Schöneberg (175) und Neukölln (früher
Rixdorf, 250) die größten sind, erreicht die Volksanhäufung in Groß-Berlin fast
4 Millionen. Den Verkehr im Innern der Stadt und zuin Teil auch mit den Vor-
orten vermitteln meist die Stadt-, die Straßen- und die Hoch- uud Untergrund-
bahn (Bild 183).
4. Der Südliche Landrücken und die Südliche Tieflandsmulde.
§ 230. I. Naturbcschaffcnhcit. Der Südliche Höhenzug ist seiner Entstehung nach
ebenfalls eine Bildung der Eiszeit, ein Moränenwall, der auf einem in
sudetischer Richtung streichenden Grundgebirge aufgeschüttet und durch Erosion
vielfach umgestaltet wurde. Als sein östlicher Ansaug wird gewöhnlich das
Oberschlefische Hügelland (Tarnowitzer Höhen) angenommen, das aber aus
festem Gestein (meist Karbon) besteht. Es enthält die zweitwichtigsten Kohlenlager