22 —
272
los.“ Die Universitäten lösten sich auf, weil Studierende und Professoren
zusammen die Waffen ergriffen; die oberen Klassen der Gymnasien wurden
leer; die Regierungskollegien und die Gerichtshöfe schmolzen zusammen; der
Landmann verließ seinen Pflug, der Handwerker seine Werkstatt, der Kauf⸗
mann sein Geschäft, um zur Wehr zu greifen. Der Unterschied der Stände
schien vergessen; denn in den Reihen der Freiwilligen stand der Prinz neben
dem Bürgersohne der Städte; die Selbstsucht schwieg, es gab nur ein Ge—
fühl, einen Willen. Niemand wollte von der allgemeinen Bewegung zurück⸗
bleiben. Jünglinge unter 16 Jahren, Männer über 50 Jahre stellten sich
zur Verfügung. Der Familienvater verließ Weib und Kind. Vater und
Mutter, Bräute und Verwandte waren stolz darauf, ihre Söhne und An—
gehörigen im heiligen Kampfe zu wissen. Viele überschätzten ihre Kräfte,
mußten zurückgewiesen werden und trauerten, nicht mitstreiten zu können.
Nicht minder zeigte sich das weibliche Geschlecht der großen Sache würdig.
Von der Zeitströmung ergriffen, wurden manche über ihren Berufskreis
hinausgeführt und kämpften in dem Freiheitskriege mit. Die sich zu solchem
ußerslen nicht entschließen mochten, wirkten mit Aufbietung aller ihrer
Kräfte arbeitend für die Sache des Vaterlandes. Jeder Ort wurde zur
kriegerischen Werkstatt, das ganze Land zum Kriegslager. Was die freien
Staaten des Altertums, was Rom und Sparta an Vaterlandsliebe aufzu—
weisen haben, es übertrifft nicht das erhabene Gefühl, welches Preußen jetzt
entflammte. Die Flammen dieser Begeisterung wuchsen höher und höher
und stiegen auf zu einer Riesenlohe, daß ganz Europa sich daran erwärmte.
Nicht anders, als wenn von jedem Hügel Alarm geblasen, der Generalmarsch
auf allen Straßen geschlagen würde, auf den Bergen die Feuerzeichen ge—
brannt hätten, raffte sich jedermann auf und griff zu den Waffen. Immer
bon neuem klang der laute Ruf durchs Land: Das Vaterland ist in Gefahr!
Begeistert hatte Theodor Körner gesungen:
Frisch auf, mein Volk! die Flammenzeichen rauchen,
grell aus dem Norden bricht der Frelheit Licht.
Hu sollst den Stahl in Feindesherzen tauchen;
frisch auf, mein Volk! — Die Flammenzeichen
die Saat ist reif; ihr Schnitter, zaudert nicht!
Das höchste Heil, das letzte liegt im Schwerte!
Druck dit den Speer ins treue Herz hinein!
„Der Freiheit eine Gasse!“ — Wasch die Erde,
1 densches Land, mit deinem Blute rein!
rauchen,
Alle Schichten des Volkes haben gleichmäßig ihr Höchstes eingesetzt; es ge—
bührt ihnen allen gleiche Ehre.
Daß in Preußen jeder nur irgend kampffähige Mann mit Begeisterung
zu den Waffen griff, ist nur die eine Seite der großen Leistung; die andere
ebenso große war, daß jeder willig Hab und Gut opferte, um so große
Heeresmassen auszurüsten und zu ernähren, und daß alles Thun und Trei—
ben nur auf diesen großen Zweck gerichtet war. „Große Opfer werden
hon allen Ständen gefordert werden“, hatte der König gesagt. Es
muß zur Ehre der Nation ausgesprochen werden, daß der Drang zum
Geben gleichen Schritt hielt mit der Freudigkeit, persönlich in den Kampf