Amerika. 29
aus die in nicht zu ferner Zeit zu erwartende Eröffnung des Panamakanals
sicherte sie sich im Süden den Einfluß auf Kuba und den Besitz von Porto-
rico. Ersteres beherrscht die Haupteinfahrt in den Golf von Mexico und ist
außerdem eines der fruchtbarsten Zucker- und Tabakländer der Erde; letzteres
dient als wertvolle Flottenstation. Ganz besonders bedeutungsvoll sind jedoch die
Erwerbungen der Union im Großen Ozean, dem Weltmeer der Zukunft (Hawaii,
Guam und die Philippinen, dann eine der Samoa-Jnseln). Dadurch hat
sie auf und an diesem Ozean sich eine allgemeine Vormachtstellung errungen und
zwar durch die erstere Gruppe von Besitzungen für ihren Handel und Verkehr
nach China-Japan, durch die Samoa-Jusel für ihre Beziehungen zu Australien.
Somit macht nicht bloß die Natur der Union den Ein-
druck des Kolossalen, auch ihr ganzes Werden und
Wachsen ist wahrhaft riesenhaft.
Ein neues Geschlecht greift dort kraftvoll und mit jugendlichem Vertrauen
in die Zügel der Weltgeschichte. Die ausgefahrenen Geleise, in denen die Kultur
der Alten Welt sich bewegt, sind ihm verhaßt. »Go ahead« (geh' voran!) ist
die Losung des Amerikaners. Freilich fehlt es diesem Staatswesen auch nicht an
Schattenseiten; dazu rechnet man das bedenkliche Anwachsen der Neger-
bevölkernng, der slavischen und italienischen Einwanderung, die heftigen Kämpfe
zwischen Unternehmertum und Arbeiterbevölkerung und den Ämterschacher.
Das Deutschtum in den Vereinigten Staaten von Amerika.
Unter allen Völkern Europas haben, von den Angelsachsen abgesehen, die
Deutschen den tiesstgehenden Einfluß auf die Union ausgeübt. Zu vielen
Tausenden haben sie mit den englischen Einwanderern den Urwald gelichtet und
das Saatkorn gestreut, wo vorher die Büffel und die bronzefarbenen Wilden
hausten. Zu Zehntausenden und Hunderttausenden haben sie mit die großen
Städte gegründet, Philadelphia, Chicago, Ciucinnati, Milwaukee, St. Louis und
viele andere. Auch viele Gewerbe führen auf deutsche Anregung und deutsches
Können zurück. Deutsche brachten den Buchdruck und den Holzschnitt, chemische
Fabriken und Eisenhütten, die Klavierindustrie und die Brauereien. Deutsch-
amerikanische Ingenieure waren hervorragend beteiligt an den technischen Groß-
leistnngen der Neuen Welt, und deutsch-amerikanischer Reichtum half bei den
riesenhasteu Unternehmungen des Verkehrswesens und der Industrie. Des-
gleichen standen bei dem großen Kampfe zwischen dem Norden und dem Süden
(1861—65) 300000 Deutsche im Blachselde und vergossen ihr Blut für die neue
Heimat.
Der Segen, den die deutsche Einwanderung der Neuen Welt gebracht, be-
schränkt sich aber nicht auf die wirtschaftlich-politische Seite. Auch das geistige
Leben Amerikas hat seine Wurzeln vielfach in deutscher Bildung und Wissenschaft.
Deutsche Lehrer und Forscher wirken in großer Zahl in der Union und sür die
Einrichtungen von Erziehnngs- und Unterrichtsanstalten dienten die deutschen zu-
meist als Muster. Desgleichen stehen in der Pflege der Künste die Deutschen
obenan. Deutsche waren es namentlich, welche den Iankees das Verständnis der
Fischer-Geistbeck, Erdkunde für höhere Schulen. VI. Teil. 4. Slufl. 3