30. Deutsche politische Geschichte im Zeitalter der (Dttonen
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Zweiter Abschnitt.
vie Entwicklung Deutschlands zur europäischen Vormacht. Verbindung
des deutschen Königtums mit dem römischen Kaisertum. 936-J056.
Literatur: N). Giesebrecht, Geschichte der deutschen Raiserzeit, Bö. I und II. —
g. hauck, Kirchengeschichte Deutschlands, Bd. III. — R. Lamprecht, Deutsche Geschichte,
Bd. II. — L. v. Ranke, Weltgeschichte, Bd. VI und VII. — G. Buchwald, Deutschlands
Kirchertgefchichte. (Überdies z. T. die früher verzeichnete Literatur.)
§ 30. Deutsche politische Geschichte im Zeitalter der Dttonen.
1. vie innere Reichspolitik der (Dttonen.
vgl. Lehrbuch Bd. I, 5. 51—56. 58. 59.
Quelle: Lambeck I, Heft 8.
a) Otto I., 936—975, und sein Verhältnis zum deutschen weltlichen Fürstentum.
Die Einmütigkeit, mit der die zahlreich in flachen versammelten Großen
aller deutschen Stämme Otto I. huldigten, und die Bereitwilligkeit, mit der
die herzöge von Franken, Bayern, Schwaben und Lothringen beim
Krönungsmahle ihre „Erzämter" verwalteten, bewiesen nicht nur die er¬
folgreiche Stammespolitik des verstorbenen Königs Heinrich I., sondern
ließen auch das Beste für die künftigen Beziehungen zwischen Königtum und
weltlichem Fürstentum erhoffen.
Giesebrecht I, 245: „Die Vereinigung aller deutschen Stämme unter ein Haupt
fand hier ihren öffentlichen Ausdruck; man beging gleichsam das Fest der Gründung
des deutschen Reichs. — Es war keine leere Förmlichkeit, menn öie Fürsten, öie
einst seinen — ©ttos — Dater als Lehnsherrn anerkannt hatten, jetzt ihm Dienste leisteten,
wie sie ihnen ihre Dienstleute öarboten."
Aber das starte Selbständigkeitsgefühl der deutschen herzöge bäumte sich
auf, als Otto, entgegen der Gewohnheit feines Daters, von seinem Gberherrn-
rechte ihnen gegenüber rücksichtslos Gebrauch machte,* als sächsische Lehns¬
träger, „stolz darauf, daß die königliche Herrschaft an ihren Stamm gekommen
war", in Widerspruch zu ihrem Vasalleneide keinem Manne anderen Stammes
mehr dienen wollten und als der herzogliche Machtgeiz einen willigen Bundes¬
genossen in dem Thronneid der nächsten verwandten ©ttos, seines älteren
Halbbruders Thankmar und seines nächstjüngeren, „im Purpur" geborenen
Bruders Heinrich, fand. 3n jahrelangem Kampfe überwand Otto I. diesen
Widerstand.
Herzog Arnulf von Bayern wurde abgesetzt. Thankmar fiel am Altar der Eres-
burg. — Herzog Eberhard von Franken, der seinen freiwilligen Derzicht auf die Thron¬
anwartschaft bereute, fand in ehrenvollem Kampfe seinen Tod.— Herzog Giselbert von
Lothringen ertrank auf der Flucht vor ©ttos Truppen im Rheine.