Full text: Ferdinand Hirts historische Bildertafeln

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der spanisch-habsburgischen Weltmacht, welcher seinen Rivalen 
Karl V. erbittert bekämpfte, der französische König Franz I. 
(t 1547) den Ton an. Bald herrschte die spanische Mode in 
den höchsten Ständen Frankreichs, welchen die begüterten Klassen 
folgten, und in der Ausbildung, welche sie hier erfuhr, ging sie 
auf England, Deutschland u. s. w. über. Das Spaniertum ent¬ 
wickelte eine so starke Expansionskraft, dass bis in den Anfang 
des nächsten Jahrhunderts Diplomatie, Kriegswesen, Litteratur 
der Spanier nicht minder wie ihre Sitten und Tracht einen herr¬ 
schenden Einfluss auf die Welt ausüben. Die Mode, welche sich 
nun über das Abendland verbreitete, liebte die steifen Formen; 
die Aufschlitzungen erscheinen sehr gemässigt und die Ausbau¬ 
schungen zu Puffen zusammengezogen; der freie Faltenwurf 
schwindet durch Wattierung und Auspolsterung vermittelst Werg 
u. s. w. Wie sich hierdurch das Kostüm des Vornehmen ge¬ 
staltete, veranschaulicht die Abbildung des i. J. 1562 verstor¬ 
benen Anton von Bourbon, des Gemahls der Königin von Na¬ 
varra (Tafel 21, No. 13). Die Erfindung der Trikotweberei, die 
in Spanien gemacht worden, ermöglichte ein so enges Anschmie¬ 
gen der langen Beinkleider, wie es die bisherige Verfertigungs¬ 
art, sie aus einzelnen Stücken zusammenzunähen, nicht vermocht 
hatte. Das Ausstopfen begann bei der kurzen Schenkelhose („Pump¬ 
hose“), deren Zeug über feste Wulste sich spannte. Von dem 
kurzen, knappen, an der Brust wattierten Wams sind besonders 
die Ärmel charakteristisch: sie umschliessen mit Hilfe gekräu¬ 
selter Manschetten das Handgelenk und schwellen durch Polste¬ 
rungen zu den Schultern mehr und mehr an. Den Hals um- 
schliesst eine enge, hochgesteifte, radförmige Krause, welche zum 
Stutzen des Haupthaares nötigt und nur einen kurzgespitzten 
Lippen- und Kinnbart zulässt. Ein schaubenartiger Mantel mit 
emporstarrendem Kragen und der lange Stossdegen, der das 
Schwert verdrängt hat, vollenden die Tracht. Ihr entspricht die 
weibliche in der Halskrause und den Ausstopfungen, welche sich 
auf den Armen, den Schultern (hier arten sie zu hohen Rundwul- 
sten aus auf Tafel 21, No. 14), der Brust finden; von der stark 
eingeschnürten Taille fällt über ein glockenförmiges Untergestell 
steif gespannt der Rock herab: es taucht zum ersten Mal der 
Reifrock auf! In ihrem Extrem war diese Mode nur für Männer 
und Frauen der höheren Stände passend, da sie steif und span¬ 
nend blos ganz gemessene Bewegungen des Körpers gestattete. 
Die starre Würde, die zur Unnatur gesteigerte „Grandezza“ blieb 
aber selbst für diejenigen Kreise Vorbild, wo die Verhältnisse 
es weniger gestatteten, die Kleider auszustopfen. Auch an Misch¬ 
trachten fehlt es nicht (z. B. Tafel 21, No. 17). 
Unberührt von der spanischen Mode blieb natürlich der 
Krönungs- und sonstige Ornat, der auf Grund alter Traditionen 
für den Träger der königlichen, beziehentlich kaiserlichen Würde 
nunmehr sich ausgebildet hatte. In gleicher Weise gewann die 
Tracht, in welcher die Kurfürsten bei feierlichen Staatsaktionen 
auftraten, eine ständige Gestaltung. Sie besteht in langen Röcken 
mit breiten Hermelinkragen und hohen, runden, hermelinum¬ 
randeten Mützen (Tafel 20 zwischen 2 und 3). Was die Schutz- 
waffnung betrifft, so trieben die Vornehmen einen grossen Luxus 
in „Prunkrüstungen“ sowohl zum Zwecke der Turniere, welche 
zu einem leeren Waffenspiel des Adels herabsanken, als auch für 
den Kriegsgebrauch. Die Verbesserung und immer häufigere 
Verwendung der Handfeuerwaffen, welche allmählich der Arm¬ 
brust vollständig den Rang abliefen, hatte zur Folge, dass man 
der Wirkung derselben durch Verstärkung der Rüststücke zu be¬ 
gegnen suchte und dafür von ihnen einzelne, die minder wichtig 
erschienen, wegliess. So entstanden sogenannte „halbe Rü¬ 
stungen“. In verschiedener Zusammensetzung umfassten sie 
Helm, Halsberge, Schulter- und Armzeug, Brust- und Rücken¬ 
harnisch (Kürass) mit kurzem Schoss oder langem Oberschenkel¬ 
schutz. Die Vornehmen vermochten damit die Formen der herr¬ 
schenden Mode zu verbinden, wie das Bild Kaiser Rudolfs II. 
beweist (f 1612; Tafel 20, No. 8). Entsprechend ist auch die 
später allgemein übliche „Landknechtsrüstung“ gestaltet, nur dass 
an Stelle des schliessbaren Visierhelmes eine offene „Sturmhaube“ 
tritt (ebenda No. 12 und 13). Es griffen nämlich die Lands¬ 
knechte, die anfänglich nur wenig mit Schutzbewaffnung ver¬ 
sehen waren, in Nachahmung des spanischen Fussvolkes und als 
der lange Degen, sowie das Feuerrohr (Muskete) empfindlich zur 
Geltung gelangte, auf das alte Rüstzeug zurück. 
Landsknechte giebt es seit den Zeiten Maximilians I., wel¬ 
cher zu arm, um Schweizer Söldner zu werben, rüstiges Land- und 
Stadtvolk unter seinem Banner zusammenbrachte, nach Art jener 
ohne Schild, mit langen Spiessen, die allmählich eine Länge von 
18 Fuss erreichten, Hellebarden u. s. w. bewehrte und Glied und 
Rotte zu halten lehrte. Weil es Volk vom „Lande“ war, zu dem 
als Gegensatz die bergige Heimat der Schweizer zu denken ist, 
hiessen die Leute Landsknechte. Aus ihnen entwickelte sich 
geradezu eine Zunft, welche den Krieg als Handwerk trieb. Es 
pflegten etwa 400—600 Mann durch einen Hauptmann sich zu 
einem „Fähnlein“ an werben zulassen; eine beliebige Anzahl von 
Histor. Bildert.-Text. 
Fähnlein trat unter dem Befehle eines Obersten (Tafel 20, No. 4) 
zu einem Regiment zusammen. Dieser ist der Vermittler zwi¬ 
schen den Landsknechten und dem Kriegsherrn, zu dessen Dienst 
sich dieselben auf feste Bedingungen und für gewisse Zeit ver¬ 
pflichten. Fähnlein und Regiment bilden nur administrative Ein¬ 
teilungen des „Landknechtsstaates“, welcher eine bestimmte 
Rechtsverfassung sowie Selbstverwaltung und neben den eigent¬ 
lichen Offizieren (Fähnrich auf Tafel 20, No. 9) eine Reihe von 
Beamten zur Aufrechterhaltung der Ordnung im Lager und auf 
dem Marsche besitzt. Das war um so nötiger, als die Lands¬ 
knechte , welche ihre Heimat im Kriegslager sahen und Weib 
und Kind bei sich hatten, ein ungeheurer Tross zu begleiten 
pflegte (Tafel 20, No. 18 und 19). Die taktische Gliederung der 
Landknechte bestand darin, dass man sie zu grossen geschlosse¬ 
nen Haufen formierte, für welche das Quadrat die Normalform 
wurde. In dieselben wurden später auch die ursprünglich an 
Zahl geringeren Schützen (Tafel 20, No. 13), welche früher in 
losen Schwärmen durch Plänkeln das Treffen einzuleiten pflegten, 
eingereiht, damit die blanke Waffe und das Feuergewehr in einem 
und demselben Augenblick zur offensiven Thätigkeit gelange. Die 
grossen als „Flamberge“ bezeichneten Schwerter (ebenda No. 6) 
dienten hauptsächlich dazu, um mit den beiden Händen derjenigen, 
welche als kühne Freiwillige ihrem vorrückenden Haufen voran¬ 
gingen, mächtig geschwungen in die Masse der entgegenstarren¬ 
den Piken eine Bresche zu legen. Die Ehre, die Entscheidung 
im Kriege herbeizuführen, entreisst nun dies wohl bewaffnete und 
geschickt formierte Fussvolk vollständig der Reiterei; früher 
die Hauptwaffe, sieht dieselbe sich bald zur Nebenwaffe herab¬ 
gedrückt. 
Für die Feldschlacht blieb die Artillerie, welche weder schnell 
noch sicher schoss und keine Manövrierfähigkeit besass, noch 
ohne Belang. Dagegen gewinnt sie eine steigende Bedeutung 
für den Kampf auf dem Meere. Die Entwickelung des Flotten¬ 
wesens geht im Mittelalter von den italienischen Seestädten, 
welche ihren Aufschwung im Zeitalter der Kreuzzüge nahmen, 
besonders von Pisa, Genua, Venedig aus. Für ihre Kriegsfahr¬ 
zeuge benutzten die Veuetianer die oströmische Form der Galeeren, 
deren grössere Gattung den Namen ,,Galeazze“ (Tafel 20, No. 17) 
führt, und behielten sie fast unverändert bis über das 16. Jahr¬ 
hundert hinaus bei. Die Gestalt war ein gedecktes Flachschiff 
mit einer Reihe von Ruderern an jeder Seite; sie sitzen auf dem 
Verdeck und bestimmen hauptsächlich die Bewegung des Schiffes, 
während die Hilfe der Segel nur sekundär war; der vorn befind¬ 
liche und als Angriffswaffe dienende Sporn verlor mit der Ein¬ 
führung der Kanonen seine Bedeutung. Die Genuesen besassen 
gleichfalls die Galeeren als Kriegsfahrzeuge, nahmen aber daneben 
im Anfang des 14. Jahrhunderts die Form des nordischen Schlacht¬ 
schiffes an, welches massig und auf dem System des Hochbordes 
beruhend nur vom Winde sich treiben liess. Dies System 
steigerte man und versah, um den im Mittelalter so viel gelten¬ 
den Vorteil der Überhöhung im Seekampfe möglichst zu ver¬ 
werten, die Schiffe (Tafel 20, No. 15 nach einer Abbildung aus 
dem 16. Jahrhundert) mit einem dreigeschossigen Achtercastell. 
Inzwischen hatten die Italiener den maritimen Eifer der Portu¬ 
giesen erweckt, und deren Thätigkeit, welche den Bau von Segel¬ 
schiffen sehr förderte, auch die Spanier, Engländer u. s. w. an¬ 
gespornt. Man wetteiferte in der Herstellung kolossaler Fahr¬ 
zeuge. Galeonen (Tafel 20, No. 14) heissen die grossen, schweren, 
I dreimastigen Kriegsschiffe, sowie die zum Kriege ausgerüsteten 
Kauffahrer Spaniens, welche vorzugsweise den Handel mit Amerika 
betrieben und zum Schutz der Schätze sowohl schweres Geschütz 
als auch eine grössere Anzahl von Soldaten mit sich führten. 
Der englische Dreimaster, welcher auf Tafel 20, No. 16 dargestellt 
ist, wurde 1514 vollendet und trug 122 Geschütze, dazu eine 
Besatzung von 700 Mann. 
Dass die Italiener die Führung in der Entwickelung des 
Flottenwesens übernahmen, ist bei ihrer Überlegenheit, welche auf 
allen Gebieten der Kultur während des späteren Mittelalters her¬ 
vortritt, nicht zu verwundern. Ihr grösster Ruhm besteht darin, 
durch die Renaissancebewegung neues Leben der antiken Kunst 
und Wissenschaft verliehen zu haben. Mit den Fortschritten der 
Bildung und dem Erstarken des italienischen Nationalgefühles 
stieg das Bild der römischen Vorzeit immer deutlicher vor den 
Augen der Zeitgenossen auf und regte ihre Phantasie an. Der 
ansehnliche Rest grossartiger Bauanlagen, welcher ungeachtet 
der schimpflichsten Verwahrlosung sich durch ein Jahrtausend 
noch erhalten hatte, lockte als Muster für künstlerische Versuche 
zu dienen. Ein bewusstes Verständnis ermöglichte sich aber erst 
dann, als Petrarca (f 1374) und Boccaccio (f 1375) die alte 
Litteratur erschlossen. Von allen Seiten versenkte man sich nun 
in das antiquarische Sludium und zog Frucht von ihm. Natürlich 
dachte niemand daran, nach dem Muster bekannter antiker Bauan¬ 
lagen die Grundformen, welche für Kirchen, Paläste u. s. w. durch 
Herkommen wie Bedürfnis bestimmt und von jenen durchaus ver¬ 
schieden waren, umwandeln zu wollen. Man konnte daher nur 
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