Full text: Die Geschichte der Römer und der mit ihnen in Beziehung getretnen Völker (Bd. 1, Abth. 2)

62 Erste Secession der Plebcs. Der Volkstribunat. Die eomllia »ibnta. 
vollsten Eindruck zuschreiben, eingiengen. Die Plebes handelte dabei als eine 
ganz selbständige Gemeinde und es ward demnach zwischen ihr und den Patri- 
ciern, wie zwischen zwei Völkern, ein förmlicher Friedensvertrag (koeclns) er¬ 
richtet und von allen Gliedern der beiden Theile feierlich beschworen (daher lox 
sacrata). Die Bedingungen waren: 1) vollständige Amnestie wegen des Aus¬ 
zugs^). 2) Durchaus glaublich erscheint, daß etwas zur Milderung der 
Schuldenlasten geschah, aber die Art und Weise ist unbekannt, gewis daß das 
Schuldrecht nicht verändert, sondern nur eine Maßregel zur Sicherung gegen 
willkürliche und falsche Anwendung getroffen wurde 2). 3) Die Organisation 
der Plebes als einer eignen Gemeinde im Staate. Die von Ser- 
vius Tullius eingerichteten vier Tribus wurden auf die Stadtregionen beschrankt 
(tribus urbanae) und dazu 17 ländliche, jedenfalls mit Zugrundelegung der in 
die vier ersteren Tribus eingeordneten pagi (tribus rusticae) hinzugesügt. Alle 
Schwierigkeiten laßen sich nur durch die Annahme lösen, daß an den Versamm¬ 
lungen nach Tribus (comitia tributa) nur Plebeier Antheil hatten, diesen aber 
auch keine andere Befugnis ursprünglich eingeräumt war, als die Beratung 
und Beschlußfaßung über die Plebes allein angehende Angelegenheiten^). Ob 
die Annahme der Friedensbedingungen schon in Tribuscomitien erfolgte, ist 
. nicht zu ermitteln, jedesfalls war sie das erste Plebiscit. 4) die Einführung 
eigener p leb ei sch er Magistrate und zwar a)der tribnni pleboi, zuerst zwei, 
bald aber fünf4). Nur Plebeier konnten dies Amt bekleiden; ob sie aber von 
den Curien oder von den Centuriatcomitien gewählt wurden, ist nicht zu ent¬ 
scheiden^). Unter ihren Befugnissen war das erste das ins auxilii (auxilii latio) 
innerhalb der Bannmeile, d. h. das Recht jeden Strasakc der Consuln für den 
Augenblick zu hemmen und die Gewährung der Provocation zu erzwingen. Da 
natürlich dies ohne eine Untersuchung des Falles nicht geschehen konnte, so 
hatten sie das Recht den betreffenden Bürger, ja selbst den Consul in Haft zu 
nehmen, aber dennoch kein eigenes RichteramtG). Übrigens dehnten sie dies 
Recht auch aus dieAushebung zum Kriegsdienst und die Erhebung des Tributum 
aus. Dasselbe war wesentlich nur negativer Natur, jedoch galt das velo (die 
gesellt oder sich beiordnen laßen, so that er damit was einst auch die Könige zu 
beobachten moralisch verpflichtet waren. — 1) Liv. erwähnt diese selbstverständliche 
Bedingung erst Vll 41, 2 (ne fraudi secessio esset). —- 2) Dionys. VII 30 u. 52 
und Cass. Dio fr. Volle. 13 erwähnen freilich völligen Schuldenerlaß. Die Stelle Oie. 
de rep. II 34, 50 dagegen beweist, daß nicht omnia nexa civium liberata nectierque 
postea desitum. Momms. I 248 nimmt Abstellung der drückendsten Schuldnot unb 
Versorgung einer Anzahl Landlente durch Anlegung verschiedener Kolonien an. Es 
ist aber wol zweifelhaft, ob die im I. 492 erfolgte Ausführung solcher schon in 
den Vertragsbedingungen bestinnnt gewesen. — 3) S. § 121, 7 nebst Anm. Wenn 
Momms. I 249 alle Grundbesitzer als in den Tribuscomitien enthalten annimmt 
imb den Charakter derselben nur durch das allgemeine gleiche Stimmrecht ohne Rück¬ 
sicht auf die Größe des Besitzes nnb durch den Vorsitz der Volkstribunen bestimmt an¬ 
sieht, so steht doch gerade das letztere nnb der Name plebiscitum der Theilnahme 
der Patricier entgegen. — 4) S. die Anführungen bei Lange l 440. — 5) Das er¬ 
ster e nimmt Momms. ! 248 an, für das letztere findet sich eine Bestätigung bei Liv. 
I I 56, 3, da nur in Centuriatcomitien die Patricier durch ihre Clienten einen Ein¬ 
fluß ans die Wahlen ansüben konnten. S. Lange 1 440 f. Die Bestimmung, daß 
niemand eins der plebeischen Ämter bekleiden dürfe, wenn sein Vater nach Bekleidung 
eines cnrulischen Amts noch lebe, konnte erst nach den Licinischen Gesetzen getroffen 
werden, in einer Zeit, wo plebcische Familien in die Nobilität übcrgiengen und des¬ 
halb Abhängigkeit von ihr bei den Magistraten zu fürchten war. Üiv. XXX 19,9. 
Becker II 2, 261. Lange I 607. 617. — 6) Gegen Momms. 1 249 s. das v. Lange 
1 439 angeführte.., Gel 1. XIII 12 zeigt, daß den Tribunen nur die prensio, nicht die 
vocatio zukam. übrigens sind über die Volkstribunen zu vergleichen Oie. Oorn. kr. 
23 u. 24 ed. Qrell. u. de Iegg. III 16—25.
	        
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