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dem aber noch ein hoher Sinn sich gesellen muß. um den Gegenstand
in seinem ganzen Umfange zu übersehen, den höchsten darzustellenden
Moment zn finden und ihn also aus seiner beschränkten Wirklichkeit
herauszuheben und ihm in einer idealen Welt Maß, Grenze, Realität
und Wurde zu geben. 5. Anmut. Der Gegenstand aber und die
Art ihn oorzustellen sind den sinnlichen Kunstgesetzen unterworfen,
uämlick der Ordnung, Faßlichkeit, Symmetrie, Gegenstellung u. s. w.,
wodurch er für das Auge schön, d. h. anmutig wird. 6. Schönheit.
Ferner ist der Gegenstand dem Gesetz der geistigen Schönheit unterworfen,
die durch das Maß entsteht, welchem der zur Darstellung oder Hervor¬
bringung des Schönen gebildete Mensch alles, sogar die Extreme, zu
unterwerfen weiß.
Die Gruppe des Laokoon z. B., eines der berühmtesten Meister-
werke aus der Zeit der rhodischen Kunst, erfüllt alle diese Bedingungen
in hohem Maße. Diese Gruppe wurde im Jahre 1500 unter Papst
Julius II. in dem Gewölbe eines Weinberges, das ein Wasserbehälter
eines Bades gewesen zu sein scheint, entdeckt. Sie befindet sich jetzt im
Vatikan zu Rom.
Die Malerei stellt das Schöne, d. h. gesetzmäßiges Leben in seiner
größten Thätigkeit und Vollkommenheit, gleich der Plastik in Umrissen,
jedoch auf flachem Grunde und mittelst Linien und Farben dar. Der
Grund aller Malerei ist aber die Zeichnung, so wie sie eigentlich
Grund aller bildenden Künste ist. Da aber die Kupferstecherei nichts
weiter als eine Zeichnung mit dem Grabstichel oder der Radiernadel
ist, so ist sie, ästhetisch betrachtet, keine besondere Kunst; ja alle hierher¬
gehörigen vervielfältigenden Künste, die ans flachem Grunde etwas
darstellen, also auch das Sticken, das Lithographieren, der Holzschnitt,
Stahlstich, Kupferstich, Mosaik, Glasmalerei und dergl. sind mit der
Malerei eins und dasselbe; nur ist diese unter allen die vollendetste,
weil sie durch ihre Mannigfaltigkeit und Ausführung, durch Farben¬
gebung, durch Licht und Schatten das Auge ganz beschäftigt und das
ästhetische Gefühl ganz befriedigt, während die andern nur eine unvoll¬
ständige und schwächere ästhetische Wirkung üben.
Es sind demnach bei der Malerei zuvörderst die Farben das¬
jenige, was ihr so viel Vollendung giebt. Diese haben schon an fick
ihre Bedeutsamkeit, und nach ihrer Verschiedenheit wirken sie auch ganz
verschieden aus uns, ohne daß man jedoch der Ursache theoretisch nach¬
kommen kann. Es giebt drei Grundfarben: Rot, Gelb und Blau,
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