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unserer Schlittenreise nach Norden nichts bemerkt, was aus die Nähe von
Land von irgend erheblicherer Ausdehnung hingewiesen hätte. Das Eis schien
ungehindert zu treiben, namentlich in nördlicher Richtung. Die Weise, in
welcher die Drift direkt nach Norden setzte, sobald der Wind südlich war,
war höchst überraschend. Nur mit der größten Mühe konnte der Wind die
Rückdrist nach Südosten veranlassen. Wäre innerhalb einer müßigen Ent-
sernnng im Norden von uns irgendwelches Land von Bedeutung gewesen,
so hätte es die Bewegung des Eises in dieser Richtung hindern müssen.
Außerdem scheint auch die große Menge Treibeis, die mit großer Ge-
schwindigkeit an der Ostküste von Grönland entlang nach Süden, bis hinab
nach Kap Farewell^) und darüber hinaustreibt, dasselbe anzudeuten. Solche
ausgedehnte Eisfelder müssen ein größeres Meer haben, von dem sie her-
kommen, als dasjenige, durch welches wir trieben. Hätte die „Fram", statt
im Norden von Spitzbergen loszukommen, ihre Drift fortgesetzt, so würde
sie sicherlich an der Küste von Grönland entlang herabgekommen sein. Wahr-
scheinlich würde sie aber nicht nahe an diese Küste hinangelangt sein, son-
dern eine gewisse Menge Eis zwischen sich und ihr gehabt haben. Und
dieses Eis muß aus einem Meer nördlich von unserer Breite kommen.
Dagegen ist es sehr wahrscheinlich, daß auf der andern Seite des Pols,
zwischen diesem und dem nordamerikanischen Archipel, Land von beträcht-
licherer Ausdehnung vorhanden ist. Mir scheint es nur vernünftig, anzu-
nehmen, daß die vielen Inseln nach Norden eine Fortsetzung haben.
Aus unserer Expedition, glaube ich, können wir uns jetzt einen ziem-
lich klaren Begriff machen von der Weise, wie das Treibeis beständig
auf der Wanderung von der einen Seite des Polarbeckens, nördlich von der
Beringstraße und der Küste von Sibirien, quer über die Regionen um den
Pol nach deni Atlantischen Ozean begriffen ist. Wo man einst eine feste,
unbewegliche, massive Eisdecke anzunehmen geneigt war, die den nördlichsten
Punkt der Erde als ein fester Eismantel bedecken sollte, sinden wir jetzt ein
ewig wanderndes, ausgebrochenes Treibeis.
Der Beweis, der mich schon vor unserer Expedition fest an diese
Theorie zu glauben veranlaßte, wird durch das sibirische Treibholz geliefert,
das beständig nach Grönland geführt wird, sowie dnrch den auf dem Eise
gefundenen Schlamm, da derselbe kaum anderer als sibirischer Abstammung
sein kann. Wir fanden während unserer Expedition, selbst als wir auf dem
86. Grade waren, mehrere Anzeichen dieser Art, die uns wertvolle Finger-
zeige bezüglich der Bewegung des Eises gaben.
Die Kraft, die das Eis in Bewegung setzt, wird sicherlich zum größten
Teil von den Winden geliefert, und da auf dem Meere nördlich von Sibirien
südöstliche und östliche Winde vorherrschen, während sie im Norden von
Spitzbergen nordöstlich sind, so müssen sie das Eis in der Richtung führen,
in welcher wir die Drift gefunden haben. Aus zahlreichen von mir an-
gestellten Untersuchungen habe ich das Vorhandensein einer langsamen
Strömung im Wasser unter dem Eise festgestellt, die in derselben Richtung
läuft. Jedoch wird es noch einige Zeit dauern, bis das Resultat dieser
Untersuchungen ausgearbeitet und als sicher betrachtet werden kann.
*) Südspitze von Grönland.