Full text: Von Luther bis zum Dreißigjährigen Krieg (Teil 4)

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Es gab schon vor Luther deutsche Übersetzungen (die er aber nicht 
benutzte) und zwar 14 hochdeutsche und 4 niederdeutsche; sie waren aber 
in sehr schlechtem Deutsch geschrieben (vergl. auch die Probe), richteten 
sich nur nach der Vulgata, nicht nach dem Urtext, kosteten den uner¬ 
schwinglichen Preis von 12 Gulden (d. i. 250 M.), und was der Haupt¬ 
fehler war, sie durften nach dem Gebot der Kirche von den Laien nicht 
gelesen werden, damit das Volk nicht aus Mißverstand der Schrift zum 
Irrtum geleitet werde. 
Die Hilfsmittel Luthers waren: seine Vertrautheit mit der Bibel 
(seit der Erfurter Zeit), seine Kenntnis des Griechischen, das er von 
Melanchthon, und des Hebräischen, das er von Reuchlin und jüdischen 
Gelehrten gelernt hatte. Seine Gehilfen waren: Melanchthon, Auro- 
gallus, Bugenhagen, Justus Jonas u. a. 
Die sächsische Kanzleisprache war die im Verkehr der deutschen Höfe 
unter sich und mit dem Kaiser übliche Sprache, wie sie in den damaligen 
sächsischen Ländern, also in Mitteldeutschland, gesprochen wurde; sie war 
derjenige deutsche Dialekt, der einerseits den Oberdeutschen (denn er war 
ja ober- oder hochdeutsch), zur Not aber auch den Niederdeutschen ver¬ 
ständlich war und darum von Luther gewählt wurde. 
Luther hat das Neue Testament in etwa 3 Monaten übersetzt und 
es dann in Wittenberg mit Melanchthons Hilfe verbessert, sodaß es im 
September 1522 im Druck erscheinen konnte. „Das Neue Testament. 
Deutsch. Wittenberg." Es kostete 1 J/2 Gulden, also gegen 30 Mark; 
das ist freilich nach unseren Begriffen sehr teuer. Im Dezember mußte 
schon ein Neudruck gemacht werden, bis zum Jahre 1534 (wo die ganze 
Bibel fertig war) erschienen in Wittenberg 17 Ausgaben des neuen 
Testaments und im übrigen Deutschland und in der Schweiz 52 Nach¬ 
drucke. 
Die Wirkung auf das Volk, die der Gegner Luthers beklagte, war 
gerade die von Luther beabsichtigte. 
II b. Beurteilung. 
1. Welche Eigenschaften (Charakterzüge) Luthers treten uns 
in unserer Geschichte entgegen? 
Er verlangt nach Thaten, er muß wirken und kämpfen, darum 
quält ihn die erzwungene Ruhe (thateudurstig). 
„Ich mache mich nicht zu einem Heiligen", hatte er in Worms ge¬ 
sagt und er war auch kein Heiliger, sondern ein Mensch mit 
menschlichen Fehlern und Schwächen. Es ergreift ihn die Angst vor¬ 
der durch ihn angeregten Umwälzung so vieler ehrwürdiger Sitten und 
Gebräuche, und dazu gesellt sich der Zweifel, ob er sich nicht doch 
geirrt und wirklich die göttliche Wahrheit gefunden habe; die Verant¬ 
wortung für fo viele tausend Seelen, die ihm vertrauen, fällt ihm schwer 
aufs Herz, ja er zweifelt sogar an Gott selber. Aber dieser Zweifel 
zeigt uns nur, daß er gewissenhaft und nur ein Mensch war. Wurde 
doch sogar Christus schwer versucht. Aber wie Christus, überwand auch
	        
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