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ihnen so vollkommen zerstört, daß man nicht einmal mehr die Stelle an-
geben kann, wo sie gestanden; aber die Domkirche St. Maria ist der Ver-
nichtnng entgangen, und von den übrigen zehn sind noch die großartigsten
Ruinen übrig.
Diese Trümmerwelt, inmitten der halb mittelalterlichen, halb modernen
Straßen, mit dem Blick auf nahe herantretende Getreidefelder und auf reiche
Baumpflanzungen dicht neben dem Meere, dieses ganze seltsame Gemisch ist
es, was uns bei der alten Hansestadt fesselt und ergreift.
(4. Die Trollhättasälle^).) Wenn man auf der luftigen eisernen
Brücke steht, die vom linken Ufer zu der Toppö führt und gerade über dem
Falle schwebt, und wenn man die tiefe Flut dahinstürzen sieht, still, blitz-
schnell, um sich weiter unten in Schaum auszulösen, dann versteht man die
uralte Vorstellung der Skandinavier von einer nassen Hölle und von dem
„starrenden Strome, in welchem die Meuchelmörder und Meineidigen waten".
Die Führer pflegen hier Stücke Holz in den Strom zu werfen, eine
Spielerei, die fast beleidigt. Denn die größesten Stämme würden diesem
Zuge der Wasser folgen und ihnen ebenso ohnmächtig hingegeben sein wie
ein Strohhalm. Hier können wir die Kraft unserer Nerven prüfen. Die
Brücke ist spiuuewebartig uud so leicht gebaut, daß eine Warnungstafel
ausdrücklich nur zwei Personen auf einmal den Übergang anrät. Wir
schweben hier über der stürzenden Flut, unfähig, ihren Anblick auf die Dauer
zu ertragen, und blicken in den stillen grünlichen Fall wie in das Auge
einer Schlange oder in den Schlund einer geladenen Kanone. Auch der tiefste
Gebirgsabgrund hat nichts von dem Grausen dieser Stelle . . .
Parallel den oberen Fällen ziehen sich die ältesten Kanalanlagen hin,
die aus den letzten Regierungsjahren Karls XII. stammen; sie sind ein
Werk des größten schwedischen Mechanikers, des in Wisby geborenen Polhem.
Wir bewundern vor allem eine tiefe Schleuse, eiuen dunkeln Felsschlund,
in welchen ein Wasserfall stürzt, um weiter unter den Felsen unsichtbar
fortzufließen. Gegenwärtig liegt sie unbenutzt da, ein laut redendes Zeugnis
für das Genie Polhems uud eine Erinnerung zugleich an seine Neider,
welche Balken in den Strom warfen und die bereits vollendete Schleuse
zerstörten.
Der sogenannte Trollhättakanal ist dazu bestimmt, die Katarakte zu
umgehen. Er wurde in den Jahren 1793 bis 1800 erbaut und zieht sich
oberhalb der Fälle, immer durch den starrsten Granit gesprengt, auf der
Höhe des linken Ufers hin, durchschneidet den kleinen Äkersee uud steigt
nach einem Laufe von einer Viertelmeile in einer einzigen^ Reihe von elf
Schleusen zu dem ruhigen Wasserspiegel der Götaels bei Äkerwaß hinab.
Es macht immer einen sonderbaren Eindruck, ein Schiff zu sehen, wie es
anfangs ans der waldigen Höhe erscheint, nur mit seinen Masten uud seinem
Schlot über die Felsdämme und die Bäume hervorragend. Dann wird das
erste Schleusentor geöffnet, und das Schiff segelt ruhig in die Kammer,
welche 120 Fuß lang, 24 Fuß breit und 10 Fuß tief ist. Darauf schließt
man das doppelflügelige Tor hinter dem Schiffe; das Wasser stürzt durch
unterirdische Kanäle in die nächste untere Schleusenkammer, und das Schiff
i) Es sind fünf durch Becken getrennte größere Fälle, die zusammen 1L Meile lana
sind und 112 Fuß Abfall haben.