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zu wandern, um sofort mitten in die absolute Kartoffelküche versetzt zu sein.
Die Leute vor dem Gebirge nennen die Westricher: „Kartoffelsäcke", und
diese danken ihnen mit einem „groben Pfälzer" und geben dafür ihren
Kartoffeln, oder wie hier das Volk sagt, „Grumbeeren", um so schmeichelndere
Beinamen. Es sind Feldhühner — mit dem Karst geschossen, Vaterlands-
Verteidiger — wider den Hunger.
(8. Sprachproben.) Der Schwabe fragt: „Wo gescht' na?", der
Alemanne: „Woane?", der Pfälzer: „Wo gefch'de anne?" — der Hesse
und Nassauer dagegen: „Wo gest'de hin?"
Der Alemaune und Schwabe kommandiert Pferde uud Ochsen mit
„huscht und hott" (rechts und links), der badische Pfälzer des rechten Rhein-
users desgleichen; bei dem Pfälzer des linken Ufers hört man dagegen fchon
der fränkische Ruf: „haar und hott", im Westrich gauz entschieden. Doch
wäre es möglich, daß auch in der bayerischen Vorderpfalz der alemannische
Ruf noch hier und da im Schwange ginge.
Das schwäbische „Häfele" kennt man noch in der Pfalz, aber viel
besser schon das fränkische „Dippche". Gleich dem Alemannen wirft der
Pfälzer die Flickwörter „just" und „jnstement" noch fleißig in die Sätze und
beginnt auch wohl sein letztes Wort mit einem elsässischen „enfin". Er
weiß, gleich dem Alemannen, daß die Bienen auch Immen heißen, während
wir dies am Mittelrhein erst beim Schulmeister lernen müssen; er spricht
noch von „dausig" Gulden und vom „Bu" und hängt den Adjektiven das
zärtlich weiche i an — schöni, liebi, gnti usw. — als hätte er dies alles in
Hebels alemannischen Liedern gelesen. Er sagt auch wohl noch mit dem
Alemannen „nimmi" statt nicht wieder. Der hessische Franke kennt „nimmer"
nur als Schriftwort im Sinne einer verstärkten Verneinung.
In Alemannien und der Pfalz wachsen „Grumbeere", in Schwaben
„Grnmbire" und „Erdbire"; erst nördlich von Mainz werden ganz entschieden
Kartoffeln daraus.
B. Mitteldeutschland.
I. Der Rhein und sein Stromgebiet im Rheinischen Schiefergebirge.
(„Land und Leute," Monographien zur Erdkunde, In Verbindung mit hervor-
ragenden Fachgelehrten herausgegeben von A. Scobel. X. „Am Rhein". Die Rhein¬
lande von Frankfurt bis Düsseldorf und die Täler des Rheinischen Schiefergebirges. Von
H. Kerp. Mit 182 Abbildungen nach photographischen Aufnahmen und einer farbigen
Karte. Bielefeld und Leipzig, Verlag von Velhagen & Klafing, 1901. 183 Seiten,
4 Mark. S. 48, 56—59, 101—102, 116, 155—157, 166—168, 173—174.)
(1. Weinlese und Weinbereitnng.) Vorwiegend drei Traubensorten
verdankt der rheinische Weinbau seineu großen Rus: dem Riesling, der
den Anspruch erheben kann, die edelste Traube der Welt zu sein, dem
Österreicher, der auch Sylvauer genannt wird, und dem Burgunder. Die
beiden erstgenannten Reben liefern den Weißwein, letzterer den Rotwein.
Der Riesling gehört zu den harten Sorten, er reift spät uud liefert Weine,
die sich durch ihr herrliches Bouquet auszeichnen. Der Österreicher reift
früher und gibt gute, runde und volle Qualitätsweine, denen aber der Duft
der Rieslingsweine abgeht. Die rheinischen Rotweine zeichnen sich durch ein
eigenartiges, würziges Aroma aus.