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Weiden und Erlen. Unter der Tierwelt gibt es nur wenige Pflanzenfresser: das
Renntier, den Moschusochsen und den Schneehasen. An den Küsten und auf dem
Treibeise lebt der Eisbär, der sich von Fischen nährt. In ungeheuren Scharen finden sich
nordische Seevögel: Eiderenten, Eidergänse, Lummen, Alken und Pinguine. Das
Meer beherbergt einen großen Reichtum an Fischen und ist die eigentliche Heimat der
großen Meersäugetiere: der Wale, der Robben und der Walrosse. Dem Menschen bieten
die von Eis und Schnee starrenden Länder die denkbar ungünstigsten Daseinsbedingungen.
Gleichwohl ist er auch bis in diese Gebiete vorgedrungen und hat den Kampf mit der
kargen Natur aufgenommen. Fischfang und Jagd sind die fast einzigen Nahrungsquellen.
Nur die etwas günstiger gestellten Randgebiete der Nordpolarländer sind von einigen
Tausend Eskimo bewohnt (S. 332), in den s. hat man nirgends Menschen angetroffen.
U Die Nordpolarländer.
Die Nordpolargebiete werden von Asien, Europa und Amerika umgrenzt. Wenn
auch weite Räume bis jetzt noch unerforscht sind, so steht doch so viel fest, daß der weitaus
größte Teil dieses Flächenstücks der Erde vom Meere bedeckt ist. Nur Inseln, wahr-
scheinlich die Reste eines versunkenen Erdteils, der Arktis, ragen aus dem Eismeere empor.
Sie liegen fast alle an den Randgebieten, in der Nähe der Festländer. Der weite innere
Raum des Beckens ist wahrscheinlich landarm, wie die nach dem Pol zunehmende Meerestiefe
(3000—4000 m) vermuten läßt. Das Eismeer ist sast ganz von Land umschlossen. Nur
zwischen Europa und Grönland besitzt es eine breite Öffnung, durch die es mit dem Atlan-
tischen Ozean in Verbindung steht. Zwei andre Zugänge, der Smithsund (S. 245),
w. von Grönland, und die Beringstraße zwischen Amerika und Asien sind nur schmale
Pforten. Die Nordpolarländer umfassen zusammen ein Gebiet von etwa der halben Größe
des australischen Festlandes. Etwa 9/10 dieser Fläche entfallen allein auf Grönland und
die anderen Inseln n. von Amerika.
1. Grönland (2110000 qkm, viermal so groß wie D., 12000 E.) ist die größte
Insel der Erde. Nach S. dreieckig zugespitzt, erstreckt es sich von der Breite von St.
Petersburg (60. °) 2600 km weit bis über den 83. 0 nach N. Die Küsten sind fast überall
durch tiefeinschneidende Fjorde gegliedert. Das Innere, das unter einer gewaltigen Eis-
decke vergraben liegt, bildet wahrscheinlich ein dem skandinavischen ähnliches Hochland.
Nach den Rändern zu geht es in wilde, schroff ansteigende Bergmassen über, die an der
Ostseite in der Petermannsspitze 2800 m erreichen. Nur ein Küstensaum, der an der
wärmeren Westseite 100—130 km, an der Ostseite aber nur 8—15 km Breite hat, ist
eisfrei. Das Inlandeis steigt in sanfter Wölbung nach dem Innern zu an. Nansen,
dem es 1888 gelang, die Insel in der Gegend des 65. Breilengrades mit Schneeschuhen
zu durchqueren, erreichte eine Höhe von 2700 m. Nur nach den Küsten zu ragen hin
und wieder Bergspitzen, Nunatakker, aus der Eismasse hervor. „Während dreier Wochen
wanderte Nansen unausgesetzt über ein Schneefeld, dessen Oberfläche meist spiegelglatt war;
kein Stein, kein Staubkörnchen war auf dieser ungeheuren Ausdehnung zu sehen"
(O. Nordenskjöld). Nach den Rändern zu wird das Eis unebener. Es enthält Buckel und
Vertiefungen, die im Sommer Teiche und Seen von Schmelzwasser bilden, und Spalten
und Risse. Die Decke wird immer dünner, bis sie sich endlich ganz auflöst. An vielen
Stellen aber, besonders in den Fjordtälern, fließt das Eis als mächtige Gletscher bis ins
Meer hinab, wo es abbricht und Eisberge bildet (S. 329). Nach N. hin werden die
Gletscher immer gewaltiger. An der Melvillebai, Baffinsland gegenüber, triit das Eis
auf einer Strecke von 350 km fast überall bis an das Meer heran; noch weiter n. endet
der Humboldtgletscher in einer Breite von 90 km mit einer 100 m hohen Eiswand.