Full text: Das Deutsche Reich (Teil 4)

90 Das Deutsche Reich. 
Markt. Im westdeutschen Industriegebiet haben aber die Eisenbahnen, der 
Rhein und der Dortmund-Ems-Kanal eine außerordentlich günstige Frachtlage ge- 
schaffen. 
In England beruhen Wohlstand und Reichtum der Bevölkerung fast ausschließ- 
lich auf Handel und Industrie. Die Landwirtschaft, insbesondere der Ackerbau, tritt 
hiergegen ganz zurück. Englands Eigenbau vermag die Bevölkernng nur 6 Wochen 
zu ernähren, während Deutschlands jährliche Ernte für 11 Monate ausreicht. 
Eine Industrie mit überwiegendem Weltmarkt, wie das ganz besonders in Eng- 
land zutrifft, entbehrt aber einer sicheren Unterlage und ist internationalen Wirt- 
schastskrisen in erhöhtem Grade ausgesetzt. Ganz anders in Deutschland, wo eine 
kaufkräftige Landwirtschaft der Industrie den nötigen Rückhalt gibt. Überdies können 
hier durch großzügige Kolonisation noch ausgedehnte Flächen der Landwirtschaft 
gewonnen werden, so daß unsere Unabhängigkeit vom Auslande in bezug auf Nah- 
rungsmittel noch mehr verbürgt wird. 
Im Gegensatz zu England hat Deutschlands Seehandel seine mächtigste (Stütze 
in einem weiträumigen, industriell vielfach hochentwickelten Hinterland. Dazu ist 
dieses Hinterland von der mit dem Ozean in enger Verbindung stehenden Küste 
nirgends in so ausgedehntem Maße erreichbar wie von den großen deutschen Häfen 
aus. Rhein und Elbe, diese 'größten westeuropäischen Flüsse, reichen sogar über 
die deutschen Grenzen hinaus; der Rhein nach der Schweiz, die Elbe nach Böhmen. 
Nicht so unmittelbar mit dem großen Weltmeer steht die Oder in Verbindung, sie 
ist aber immerhin noch leicht genug erreichbar und erschließt gleichfalls ein 
industriereiches großes Hinterland. Trifft letzteres auch für die Weichsel noch nicht 
zu, so ist doch ein starkes wirtschaftliches Vorwärtsstreben auch in ihren Gebieten 
erkennbar. Wohl durchströmen Europas Flächen noch größere Ströme, aber sie 
sind vergleichsweise abgeschlossen. Der größte unter ihnen mündet in ein Binnen- 
meer und auch die Donau hat durch ihre Mündung nur beschränkte Bedeutung. 
An der Zukunftsentwicklung ihres Verkehrs wird aber auch Süddeutschland seinen 
vollen Anteil haben. Jedenfalls stehen die deutschen Ströme in bezug auf Er- 
schließung geräumiger und hochentwickelter Landmassen an erster Stelle. Auf dieser 
Grundlage machte denn auch der deutsche Seehandel geradezu staunenswerte Fort- 
schritte. 
Was endlich den Deutschen als solchen betrifft, so steht er an kaufmännischer 
Befähigung und industriellem Geschick dem Engländer keinesfalls nach. Beweis 
dessen find doch die großartigen Erfolge Deutschlands auf dem Gebiete des Groß- 
Handels und Großgewerbes in den letzten Jahrzehnten. Oder haben die deutschen 
Großkausleute in den großen Handelsplätzen den Vergleich mit denen Englands 
zu scheuen? Stehen nicht die Hamburg-Amerika-Linie und der Norddeutsche Lloyd 
mit an der Spitze aller Schiffahrtsunternehmungen der Welt? Haben Männer 
wie unsere Krupp, Siemens, Schuckert und Friedrich List an Wagemut und Weit- 
blick hinter englischen Industriellen oder Nationalökonomen zurückzutreten? Schassen 
nicht deutsche Reichsbürger in aller Herren Länder und arbeiten nicht Milliarden 
deutschen Kapitals in überseeischen Gebieten? In kolonisatorischer Hinsicht haben 
die Deutschen bereits im Mittelalter glänzende Proben ihres Geschickes abgelegt 
und die erfreuliche Entwicklung unserer in den letzten Jahrzehnten erworbenen 
Kolonien bestätigt auss neue die Befähigung der Deutschen auch auf diesem Gebiete.
	        
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