202 Zweite Lehrstufe.
20. Parallel und geht nun wieder nach N., jedoch mit einer bedeutenden Krümmung
gegen NO. Auf dem 30. Parallel beginnt die Deltabildung des Flusses. —
Der Oberlauf des Nil gehört dem ägyptischen Sudan an; er endet bei
Chartum. An Nebenflüssen empfängt er auf dieser Strecke den BahrelArab
an seiner Biegung nach O. und den Sobat an der folgenden Wendung nach N.
Bei Chartum selbst, bis wohin der Strom nach der Mündung der beiden eben genannten
Flüsse weißer Nil heißt, vereinigt sich mit ihm der Bahr el Asrek oder der
blaue Nil.
Im Mittellauf durchzieht der Nil Nubien (von Chartum bis Assuan).
Der Fluß bildet in diesem Gebiete bedeutende Katarakte, welche die Schiffahrt sehr
beschwerlich und in der trockenen Jahreszeit stellenweise ganz unmöglich machen. Von
Nebenflüssen geht ihm nur der Atbara (atbara) zu, der von Abessinien kommt; dieser
ist überhaupt der letzte Zufluß des Nil.
Der Unterlauf gehört dem eigentlichen Ägypten an; in majestätischer
Ruhe durchzieht dasselbe der Nil in einer langen Felsenspalte bis zu seiner Teilung
bei Kairo (keiro). Die Zahl der Arme, die das Delta einschließen, betrug früher 7,
jetzt nur noch 2, wovon der nw. bei Rosette, der nö. bei Damiette das Mittelmeer
erreicht. Beide Städte lagen noch zur Zeit der Kreuzzüge am Meere, sind aber durch
das Börnicke« des Schwemmlandes in Nilstädte verwandelt worden.
Anmerkung. 1. Seine Fruchtbarkeit verdankt das untere Nilthal der Schlamm-
ablagernng bei der jährlichen Überschwemmung des Nil. Diese Überschwemmung
beginnt Ende Juni und dauert bis Ende September.
2. Die Ursache dieser jährlichen Stromschwelle sind die reichlichen Tropen-
regen und die Schneeschmelze in Abessinien. Die befruchtenden Stoffe aber schaffen
nur der blaue Nil und der Atbara herbei; denn der weiße Nil ist, da er durch
Seen hindurchgeht, die wie eiu Filter wirken, arm an schwebenden Mineralien.
3. Der regelmäßigeWechsel zwischen Trockenheit und Überschwemmung
ist auch die Ursache der frühen Kultur Ägyptens geworden. So führte die
Thatsache der regelmäßig und zur bestimmten Zeit eintretenden Überflutung auf
Sternkunde und Kalenderbeftimungen; die Geometrie entwickelte sich infolge
der Notwendigkeit, die Fluren, von denen die Fluten die Grenzsteine davongetragen,
aufs neue zu vermessen; das Streben, die Segnungen des Nil dem ganzen Lande
zuzuführen, hatte großartige Wasserbauten zur Folge. Auch für die soziale
Gliederung der Bewohner des Landes hatte der Nil seine Bedeutung. Zur Zeit
der Überschwemmung vermittelten vorzüglich Wasserwege die Kommunikation, daher z. B.
die Wichtigkeit der Nilschifferkaste. Selbst in der Religion der alten Ägypter begegnet
man den Naturmächten des Nilthals; denn ihr Gott Osiris ist nur eine symbolische
Darstellung des Nil, von dem die Vegetation abhängt.
Klima, Flora und Fauna teilt das ägyptische Gebiet im allgemeinen
mit den schon besprochenen Gebieten des Sudan und der Sahara. Besondere
Erwähnung verdient nur das eigentliche Ägypten, wo infolge der Nil-
Überschwemmung die Fruchtbarkeit eine außerordentliche ist. Von hervor-
ragender Bedeutung außer der Getreideproduktion ist besonders der Baum-
wollenbau; derselbe ist so großartig, daß Ägypten nach der Union
und Britisch - Ostindien die größten Mengen in den Weltverkehr
liefert.