fullscreen: Mit 21 Abbildungen (Teil 3 = (6. - 8. Schuljahr), [Schülerband])

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222. Deutsche Bauern in Brasilien. 
1. Kaiser Dom Pedro J. von Brasilien war es, der zuerst deutsche Kolonisten 
für die Südprovinzen seines Reiches anwerben ließ und die erste deutsche Sied— 
lung Säo Leopoldo am Rio dos Sinos im heutigen Staate Rio Grande 
do Sul anlegte. Das geschah im Jahre 1824. Seitdem sind viele Tausende 
armer, aber arbeitswilliger Deutschen den ersten Pionieren in den brasilischen 
Urwald gefolgt, der die Abhänge der Serra do Mar, des großen Randgebirges 
an der Ostküste Südamerikas, bedeckt. Südlich von diesem Waldgebirge be— 
ginnen die Campos, ungeheure Grasländer, die sich von Rio Grande do Sul 
nach Uruguah, Paraguay und Argentinien erstrecken und im spanischen Süd— 
amerika Pampas genannt werden. Der Anblick eines Campo ist überall der— 
selbe. So weit das Auge reicht, eine weite Grasfläche; nur hier und da eine 
elende Hütte am Rande eines kleinen Gebüsches, das wie eine grüne, schattige 
Insel in dem unendlichen Grasmeere liegt. überall weidende Viehherden, und 
in weiter, weiter Ferne die dunstumlagerten Züge eines Gebirges — alles über— 
flutet von dem strahlenden Lichte der Sonne, das sich tausendfach bricht in 
den schmutzigen Wassertümpeln, deren Rand unzählige Viehspuren bedecken, 
wie in den kleinen Lachen mit dunkeln Binsen und Röhricht, daraus der 
Kiebitz mit gellendem Schrei aufflattert. Der Campo ist das Reich der Vieh— 
züchter, deren Herden von den Gauchos* bewacht werden. Den breiten Hut 
auf dem Kopfe, die schweren Sporen an den Hacken der weiten Stiefel, den 
gerollten Lasso zur Rechten am Sattelknopf, Messer und Pistole im Gürtel — 
das ist der Gaucho, ein wetterharter und unbändiger Gesell! 
2. Die deutschen Bauern sind nur in geringer Zahl auf dem Kamp 
ansässig geworden; sie zogen in den Wald, der ihnen alles bietet, was sie zum 
Leben brauchen. Moosbewachsene, schlanke Säulen sind es, die in dem Dome 
des Urwalds aufragen; üppige Farne wuchern im Schatten der immergrünen 
Laubbäume, und das bunte Volk der Orchideen leuchtet von den Ästen, die 
durch Schlingpflanzen in kühnem Schwunge verbunden sind. Fein wie luftige 
Spinngewebe ziehen sich diese von Stamm zu Stamm, und die schwanken Wipfel 
schlanker Palmen ragen tiefgrün aus dem Wirrsal. Dieser Wald war einst die 
Heimat großer und mächtiger Indianerstämme; aber heute sind diese aus dem 
Staate Rio Grande do Sul verschwunden, und nur in Santa Catharina und 
Paranä, zwei nördlicher gelegenen Ländern mit vielen deutschen Kolonien, 
werden die Ansiedler noch hin und wieder von den Eingebornen belästigt. 
* spr.: Ga⸗utschos. 
Hirts Deutsches Lesebuch. 
Ausg. F. UI. Neubtg. 
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