Full text: Mit einem Stahlstich (Bd. 1)

Dle Aegyptler. 
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als im Glanze einer kühnen Waffenthat. Durch den 
Chaldäer daruiedergetreten, konnten die Phönizier kanm 
an Widerstand denken, und für den Handel zur See war 
dieses Eiland unvergleichlich gut gelegen und mit treffli¬ 
chen Stapelplätzen versehen. Dreiundvierzig glückliche 
Jahre verstrichen unter der Herrschaft des Amasts (569 
— 526): überall Fleiß und Regsamkeit; Jeder ungestört 
in seinem Gewerbe, das er vom Vater erlernt hatte; die¬ 
ser beschäftigt, Edelsteine zu schneiden, jener, in Gold 
zu arbeiten; hier Spiegel aus Kupfer zur Schau gestellt, 
dort Glaswaaren, oder Schmelz, oder wohlgelungne Ver¬ 
goldungen; hier die Werkstätte eines Webers, der aus 
zahllosen Fäden die feinsten Musseline zusammenschlingt, 
dort grobe, mit Theer bestrichue Segeltücher; anderswo 
prunkende Teppiche, die mit Purpur violett, mit Kermes 
roth gefärbt siud, Lederarbeiten, woran zierliche Figuren 
siervorstechen, schon gefirnißte Schnitzereien in Holz, Ge- 
mählde mit mancherlei Gestalten, die freilich alle nur im 
Profil und ohne Anwendung der Perspektive gezeichnet 
sind; im Hintergrund kahle Pyramiden oder bunte Tem¬ 
pel, welche durch die Masse und Zahl ihrer Säulen im- 
poniren; dort endlich wird au einem Grabmvnumente 
gearbeitet: zuerst kommen Steinmetzen, die den Felsblock 
glätten, dann Andre, um die Vertiefungen mit Mörtel 
auszufüllen, dann mechanische Zeichner, welche die Umrisse 
der Figuren mit rvthcr Farbe entwerfen, dann geschicktere, 
die mit schwarzer nachbessern, dann wieder Andre, die den 
Stein rund um die Zeichnung her abhauen, dann noch 
Andre, melche die Zeichnung kunstgerecht ausführen. 
Unter solchen Beschäftigungen in Fülle des Wohl¬ 
standes und dem tiefsten Frieden lebend, hatten die Aegyp- 
tier freilich keine Ahnung davon, wie nah' sie dem Zeit¬ 
punkte standen, mit welchem sie für immer aufhören soll¬ 
ten, ein unabhängiges Volk zu seyn. Und doch war schon
	        
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