Full text: Mit einem Stahlstich (Bd. 1)

Die Aegyptier. 
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Aegypten geherrscht, daß Jeder das Leben verwirkte, der 
seine Kaste verließ. Obenan stehen auch hier die Priester, 
die mit glatt geschornem Haupte, in Linnen gekleidet, und 
in mehrere, wahrscheinlich drei, Ordnungen getheilt, Ver¬ 
hallen und Zellen der Tempel bewohnten, auf Palmzwei¬ 
gen oder hölzernen Kopfkissen schliefen, Fleischspeisen und 
Wein nicht genießen durften, täglich drei bis vier Waschun¬ 
gen unterworfen, überhaupt an ein strenges Ceremo- 
niel gebunden, und für Andre nur dann zugänglich 
waren, wenn man durch sorgfältige Lustrationen sich gereinigt 
hatte. Erschienen sie bei Festen und Prozessionen öffent¬ 
lich, so waren sie, wie die Bramanen, schon an ihren 
Stöcken kenntlich; die Vornehmsten trugen Federn am 
Haupte. Alle giengen gravitätisch, mit gefalteten, oder 
unter dem Gewand verborgnen Händen einher. Ihnen 
stand das Erklären der heiligen Bücher, deren Jeder we¬ 
der wenigstens zehn gelesen haben mußte, und der steuer¬ 
freie Besitz etwa eines Drittels vom Grunde und Boden 
des Landes zu. Die Krieger waren als Kalasirier und 
Hcrmotybicr in verschiedne Bezirke vertheilt, wo jeder 
ein Gut von 1200 ägyptischen Ellen im Umfange als 
königliches Lehen besaß und ausserdem noch Sold und 
Lebensmittel bezog, wenn die Neihe des Hofdienstes au 
ihn kam. Der König, in der Negel aus dem Krieger- 
ftandc, manchmal aus dem der Priester hervorgegangen, 
oder doch in denselben eingeweiht, galt als Eigenthümer 
des Landes, der Bauer daher nur als sein Grundhvlde, 
womit, in Zeiten wenigstens, die Entrichtung des fünften 
Theils vom Ertrage verknüpft war. Ein Kollegium von 
50 Priestern, deren je 10 aus einer der Hauptstädte wa¬ 
ren , und deren Präsident das Bild der Wahrheit auf 
der Brust trug, sprach am Hofe des Fürsten Recht. 
Und nicht nur in der Gesetzgebung und Rechtspflege, 
auch in der Verwaltung und Polizei hieng der König von
	        
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