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Besitzung, von deren Ertrage er ein Gewisses abgeben mußte, oder er
lebte mit am TischeseinesHerrn. Der Hausvater war das Haupt,
der Herr und Richter in seiner Familie, welcher die Streitigkeiten
in der Familie durch seinen Machtspruch schlichtete.
Die Frau war des Mannes treue Gehülfin, welche die Gefahren
und die Lasten desselben im Kriege und Frieden theilte und das
Hauswesen und die Kindererziehung leitete. Die letztere war ganz
darauf berechnet, das Geschlecht in seiner ursprünglichen Kraft zu
erhalten.. Halbnackt wuchs der Knabe heran, im Hause und auf dem
Felde der Mutter Gehülfe. Bei Sturm und Wetter warf er sich in
den Strom und stählte seine Kraft an jeglicher Leibesübung. Schon
früh folgte er dem Vater auf die Jagd, und suchte von jetzt an, nach
dessen Beispiel sich zu bilden. Wie mit Siegeszeichen prangten die
Jünglinge mit den Hörnern erlegter Auerochsen in der Gemeinde,
und je mehr sie vorzeigen konnten, desto lauter ertönte ihr Lob; dann
wurden sie in der Volksversammlung von den Edelsten des Stam¬
mes wehrhaft gemacht und dursten von nun an ihre Kraft an den
Feinden beweisen. Das Mädchen lernte Sitte und Zucht von der
treuen Mutter. Durch die Heirath begründete der Jüngling, der bis
dahin unter der Vormundschaft des Vaters gestanden hatte, sein
eigenes Hauswesen. Auf die Verwandten hielt man sehr viel; denn eine
ausgebreitete Verwandtschaft hatte hohen Werth und verschönerte das Alter.
Die liebste Beschäftigung der Deutschen war der Krieg. War in
der Volksversammlung ein Krieg beschlosien, so wählte man den Tapfer¬
sten zum Führer, hob ihn jauchzend auf den Schild und begrüßte ihn
als Herzog. Dieser ließ dann das Aufgebot an alle freien Männer
ergehen, die sich dann nach ihren Geschlechtern, Gemeinden und
Gauen ordneten. Das war der deutsche Heerbann. Auf Wagen
folgten ihm oft die Frauen mit den Kindern nach, um von der Wagen¬
burg herab den Kämpfenden Muth zuzurufen und die Verwundeten zu
pflegen. Ihren Führer verließen die Deutschen nicht, und einer suchte
es an Tapferkeit dem andern zuvorzuthun.
Währte den deutschen Helden die Ruhe des Friedens zu lange, so
berief auch wohl einer der Angesehensten des Stammes seine Waffen¬
brüder, daß sie mit ihni auf Abenteuer auszögen, auf Sieg, Ruhm
und Beute. Da fanden sich denn Viele, welche gelobten, sein Geleite
und ihm getreu in Roth und Tod zu sein. Ewige Schande traf dann
den, der seinen Herzog verließ. Ja, die Deutschen waren im Kriege
so zuverlässig und treu, daß späterhin die Römer sie gern zu Söld¬
nern nahmen. Die Waffen, welche beim Kriege in einem großen
Schilde von Brettern oder Baumrinden, aus Lanzen, Spießen,
Schwertern, Keulen, Streitäxten, auch wohl aus Pfeilen und
Steinen bestanden, waren der köstlichste Schmuck des freien Mannes;
nicht nur im Kampfe, sondern bei allen feierlichen Gelegenheiten trug
er dieselben; der Schwur wurde nur auf sie geleistet; sie begleiteten
ihn in die Volksversammlung, zum Schmause, ja selbst zum Tode. Der