Asien. E. Südasien. 1, Vorderindien. 65
Die einheimische In dustrie namentlich früher, z. Th. noch jetzt aus-
gezeichnet dnrch Billigkeit und Güte (Shawls, Teppiche u. a.!). Der Handel
früher meist, z. Th. noch jetzt im NW. als Karawaneuhandel betrieben, aber
durch die Engländer, welche große Wasserstraßen und Eisenbahnen (jetzt
c. 1400 M. lang) angelegt haben, zu vollstem Welthandel ausgebildet, zumal
der Reichthum des Landes sehr groß ist9).
Politisch jetzt der größte und bevölkertste Theil Indiens, mit dem auch
Westtkbet verbunden ist zum ind ob ritischen Reich gehörig, dessen Herrscherin,
die Königin von England, für Indien den Titel Kaiserin angenommen hat. In
ihrem Namen herrscht ein fast mit königlicher Macht ausgestatteter Vi ceköuig,
der seinen Sitz in Calcutta hat. Die Schutz- und Tributstaaten Englands
bilden fast den ganzen Rest, mehr als *,'3 des Landes (aber noch nicht */5
der Bevölkerung!); dazu treten unabhängige Staaten im Himalaya und uube-
deutende europäische Besitzungen. Die Herrschaft der Briten über Indien ein
Meisterstück ihrer Colonialpolitik; von kleinen Anfängen aus haben sie mit
geringen Mitteln das gewaltige Reich, das mehr als 1I3 Europas umfaßt, von
sich abhängig gemacht und ihm eine Cnltur zugeführt, die es, wenu auch wi¬
derstrebend, annimmt, und durch die es eins der nützlichsten Glieder der großen
Völkerfamilie wird10).
9) Sprichwörtlich die Schätze indischer Nabobs bekannt.
1°) Zuerst Portugiesen nach Indien gelangt. Vasco de Gama landete 1498 bei
Kalikut; G oa 1510 erobert und zum Mittelpunkt einer starken Macht erhoben. Im 17.
Jahrhundert die Portugiesen z. Th. durch Niederländer verdrängt, die z. B. Ceylon
bis 1802 besaßen, aber sich bald mehr auf die hinterindische Inselwelt beschränkten.
Neben Dänen und Franzosen folgten dann auch Engländer seit 1600, in welchem
Jahr ihre Ostindische Compagnie gestiftet wurde und nach Indien zu handeln begann.
1639 erwarben sie Madras, 1664 erhielt Karl II bei Vermählung mit einer portugiesischen
Prinzessin Bombay. Aber erst seit Mitte des 18. Jahrhunderts macht jene Compagnie
nach dem Zerfall des Großmogulreichs, mit den Franzosen um den Einfluß kämpfend,
unter Führung energischer Männer wie Clioe* und Warren Hastings* erhebliche
Fortschritte, und die Engländer erwarben im Kampf mit indischen Fürsten,, namentlich
Haidar Ali (f 1782) und seinem im Kampf (1799) gefallenen Sohn Tippu
Sahib (= Tiger Herr) große Besitzungen, denen sich seitdem immer neue anreihten.
Calcutta wurde ein Hauptsitz der Macht. Besitzerin war noch immer die Compagnie,
welche, nur aus wenigen Personen bestehend und daheim der Regierung nnterthan, doch
in Indien ein großes Reich besaß, wenn sie sich auch seit 17 72 manche Beschränkungen
durch die Krone gefallen lassen mußte. Als aber 1857 ein Aufstand in Indien ausbrach
und die englische Herrschast erschütterte, wurde nach dessen Unterdrückung die Ostindische
Compagnie gezwungen, ihre Herrscherrechte an die englische Krone abzutreten.
Die Engländer haben sich durch eine Art altrömischer Politik Indien unterworfen.
Zwar hat Gewinnsucht und Eigennutz dabei eine große Rolle gespielt, aber es wurde
auch mit Vorsicht Altes geschont, keine uuuöthige Grausamkeit begangen, aber zu Zeiten
mit furchtbaren, weithin Schrecken erregenden Maßregeln eingeschritten; Plünderungssucht
und Fanatismus blieben fern. Nach dem Grundsatz „clivide et impera" schloß man
Bündnisse und führte Kriege. Die abhängigen Fürsten jetzt überall mit Klugheit in die
Stellung römischer socii gebracht, so daß ihre Macht von einem speciellen Vertrage ab¬
hängt. Sie zahlen z. Th. Tribut, z. Th. stellen sie Soldaten, z. Th. müssen sie eng-
tische Soldaten in Dienst nehmen, alle aber Englands militärischer und diplomatischer
Leitung folgen. Und mehr: das Land wird mit zahlreichen materiellen und geistigen
Bortheilen europäischer Staatskunst ausgestattet, Häfen werden angelegt, Straßen, Canäle,
Eisenbahnen gebaut, Telegraphen errichtet, höhere Lehranstalten gegründet oder befördert.
So gibt es Jetzt Universitäten europäischer Art in Calcutta uud MadrÄs, verschiedene
orientalische Hochschulen, außerdem auch Akademien, gelehrte Gesellschaften und viele höhere
Schulen. Industrie, Wissenschaft, Handel und Verkehr nehmen großen Aufschwung und
Heß, Geographie. 2. f;