42 II. Das Frankenreich.
Dyle so nachdrücklich, daß sie fortan aufhörten, die deutschen Land-
striche heimzusuchen. Dann wandte sich der Herrscher gegen Swatopluk,
dessen Land er in mehreren Kriegszügen verheerte. Zwei Heereszüge
unternahm er hierauf nach Italien zum Schutze des Papstes und er-
langte in Rom im Jahre 896 die Kaiserkrone.
8. Erneute Bildung von Sonderreichen. Freilich nicht das
gesamte Reich Karls des Dicken bekam Arnulf in seine Gewalt. Das
Westfrankenreich erkannte jetzt Karl den Einfältigen, einen Nach-
kommen Karls des Kahlen, als König an, und in dem Flußgebiete
der oberen Rhone und des Donbs, zwischen Jura, Alpen und Aar
erhob man den Grafen Rudolf zum Könige eines neuen Reiches,
das man das Hochburgundische genannt hat. In Italien aber
wußte ein langobardischer Herzog, Berengar von Friaul, eine selb-
ständige Herrschaft zu behaupten.
9. Ludwig das Kind. Als Kaiser Arnulf im Jahre 899 allzu-
früh seinem Lande und Volke durch den Tod entrissen worden war,
wählten die geistlichen und weltlichen Großen des Reiches sogleich
dessen Sohn Ludwig, einen Knaben von 6 Jahren (daher „das
Kind" genannt) zum Könige. Sie wollten damit offenbar verhindern,
daß das Reich in seine Bestandteile sich auflöste oder Karl der Ein-
sältige als letzter Sproß des karlingischen Hauses Ansprüche auf den
Thron erhob. Ein Nationalgefühl trat also hier.zutage, das sich
ebensosehr aus den Zusammenschluß der gleichartigen Teile zu einem
Ganzen wie auf die Absonderung von Fremden bezog.
10. Die Magyaren. Die Folgen aber zeigten sich bald. Da
niemand die königliche Macht zu fürchten brauchte, so griffen Gewalt-
tat und Zwietracht um sich; ein Herr erhob sich gegen den andern.
Von außen drohten die Feinde, insbesondere die Magyaren. Diese
waren ein Nomadenvolk von mongolischer Herkunft, das vornehmlich von
der Rinder- und Pferdezucht lebte und in der Donautiefebene, in ver-
schiedene Stämme geteilt, unter seinen Häuptlingen hauste. Schon
hatten sie nach verschiedenen Seiten hin ihre Beutezüge unternommen,
da drangen sie 907 erst in Bayern, dann in Sachsen und'Thüringen
ein, vernichteten in regellosen, wilden Angriffen jede Streitmacht, die
sich ihnen entgegenstellte, und verheerten die Länder auf das entsetzlichste.
11. Vermehrung der Zahl der Grundholden. Diese schlimmen
Zeiten waren nach zwei Seiten für die soziale und politische Ge-
staltung der deutschen Verhältnisse bedeutungsvoll. Viele von den
Gemeinfreien fühlten sich nicht stark genug, mit eigener Hand ihr Erbe
gegen äußere und innere Feinde zu verteidigen. Wollten sie es er-
halten, so blieb ihnen kein anderer Weg, als es einem mächtigen geist-
liehen oder weltlichen Herrn als Eigentum zu übergeben, um es von
ihm als Lehen wieder zu nehmen und für den gewährten Schutz eine