60 Heimatkunde für die Provinz Rheinland.
chen von der Wohnstube trennte, va gewahrte er auf einmal am Herde einen langen,
finster und zornig ausschauenden Mann sitzen. Er trug einen roten Koller und einen
Hut mit einer Hahnenfeder, seine Züße aber hatte er in die 5lsche unter dem Herde
gesteckt, und die Alte stand wie eine Bittende vor ihm und schien ihm etwas vorzutragen 5
was aber, konnte er nicht verstehen.
Huf einmal aber drehte sich die fllte herum und wandte sich nach der in seine
Kammer führenden Tür. Er warf sich daher schnell wieder aufs Lager und stellte sich
schlafend. Oie Alte aber öffnete die Tür, schüttelte ihn und sagte, er solle flugs auf-
stehen, in der Stube sei jemand, der ihm die Reise ins Morgenland ersparen könne.
Natürlich sprang er schnell auf und folgte der Alten in ihre Stube, wo der lange fremde
Mann am Herde saß und, wie es schien, dem Kochen eines über dem Zeuer stehenden
Kessels zuschaute. Als er vor ihn getreten war, schaute sich jener nach ihm um und
fragte ihn mit einem Blicke, was sein Begehr sei. Oer Jüngling wiederholte ihm, was
er der 5llten bereits erzählt hatte. Da lachte der Zremde und sprach: „Ich weih, was
du zu wissen begehrst, allein ich tue nichts umsonst. Ich will dich die Kunst, Schwerter,
die ebenso hart, ja noch härter sind als die Damaszener, zu schmieden lehren, aber nach
sieben Jahren und sieben Monaten mußt du dich dafür mir zu eigen geben. Tust du
es übrigens nicht, so nützt es dir auch nichts,' denn du wirst nie aus dem Morgenlande
zu deiner Braut zurückkehren!"
Oer arme Bursche überlegte nicht lange, sondern nahm die Hahnenfeder, die der
Lange aus seinem Hute genommen und in den Kessel getaucht hatte, und schrieb
damit seinen Namen unter ein Pergament, das ihm jener hinreichte, empfing aber dafür
einen versiegelten Brief, wprirt, wie der Zremde sagte, das Rezept zu den Klingen
stehe, hierauf begab er sich in sein Kämmerchen und verbrachte den Rest der Nacht
in wüsten Träumen. Als er aber am andern Morgen erwachte, fand er die Hütte leer,
und nur der versiegelte Brief bewies ihm, daß er nicht geträumt hatte.
Er kehrte hierauf schnell wieder nach Solingen zurück und gestand schließlich seinem
Meister, der sich über seine so schnelle Rückkehr nicht wenig wunderte, was er erfahren
und getan hatte. Oer aber war ein frommer und rechtschaffener Mann und sagte, er
wolle um alles in der XDelt nicht, daß er sein Seelenheil um jenes Geheimnisses halber
aufs Spiel setzen solle. Oarum solle der Brief versiegelt bleiben und bis auf die Zeit
seiner Enkel in dem geheimsten Vinkel seines Schrankes verwahrt werden, viese
möchten ihn dann öffnen, ihnen könne dann der böse Feind nicht mehr schaden. Gleich-
wohl aber gab er dem Gesellen nunmehr seine Tochter zur Frau, weil er gesehen hatte,
daß er es mit seiner Liebe doch ernstlich gemeint habe. Nach langen Jahren aber, als
der alte Ruthart längst heimgegangen und sein Schwiegersohn selbst schon ein hoch-
betagter Greis war, da fand sein Enkel den Brief, öffnete ihn und erlernte aus ihm
die Kunst, jenen so harten Stahl zu bereiten, durch den die Solinger Waffenschmiede
so berühmt geworden sind. (G r ä s s e.)
5. Fußwanderung von Solingen nach Remscheid. Es ist ein schöner
Nachmittag, so recht zu einer Wanderung geeignet. Uns lockt es hinaus aus
dem Stadtgetrubel in die herrliche Gotteswelt. Remscheid soll unser Ziel sein.
Schon liegt Solingen hinter uns. von freier, luftiger höhe überschauen wir
das Lergische Land mit seinen zahlreichen Städten und Dörfern. Remscheid,
die Stadt auf dem Lerge, grüßt in der §erne. Jedoch noch längst ist sie nicht
erreicht, es heißt noch das Wuppertal zu durchschreiten, Wir wählen nicht die
staubige Landstraße, die sich in vielen Krümmungen langsam hinabschlängelt,
sondern steigen auf schmalem Kußpfad ins Tal. Über eine hohe Eisenbahn-
brücke, unter der wir hinschreiten müssen, rollt dröhnend ein langer Güterzug
dahin. Bald kommen wir der rauschenden Wupper näher. Bei M ü n g st e n