Full text: Heimatkunde für die Provinz Rheinland (Rheinland)

XV. Das Kuhrgebiet. 
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links und rechts von dem hauptstollen oder der Hauptstrecke bergan. Wir 
klimmen einen solchen Seitenstollen oder Bremsberg hinan, vollgeladene Hunte 
fördern mit großer Geschwindigkeit die Kohlen hinab und ziehen dabei gleich 
leere Wagen aufwärts. Einen Augenblick müssen sie halten, damit wir un- 
gefährdet vorüber können. In gebückter Haltung klettern wir auf dem feuchten, 
schwarzen und steinigen Loden, dem „Liegenden" des niedrigen Stollens weiter. 
Seine Decke, das „Hangende", ist durch Balken gestützt, die unter dem gewaltigen 
Drucke der Steindecke oft wie Streichhölzer zerbrechen. Wir haben eine Arbeits- 
stätte erreicht. Soeben ist das vor der Kohlenschicht lagernde Gestein losgesprengt 
worden. Mit picken hacken und klopfen die Hauer das Gestein los, während 
andere Bergleute, „die Schlepper", die losgelösten Kohlen in Karren laden 
und zur Hauptstrecke befördern. Wir begrüßen die emsig schaffenden Berg- 
leute und sind bald in eifrigem Gespräche mit einem der ältern, der uns unter 
anderm auch von den Gefahren seines schweren Berufes erzählt. Schon manche 
seiner Kameraden sind durch das Hangende Gestein getötet oder verschüttet 
worden, andere wurden ein Opfer der schlagenden Wetter. In der Erde bilden 
sich nämlich böse Gase, die man durch Anlage von Luftschächten aus der Grube 
zu entfernen sucht. An der Zlamme seiner Sicherheitslampe, die stets geschlossen 
sein muß, kann der erfahrene Bergmann erkennen, ob schlagende Wetter drohen. 
Entzünden sich diese gefährlichen Gase, so verbrennen die Bergleute jämmerlich 
oder werden durch die erstickenden Dämpfe hinweggerafft. „Dennoch," so 
schließt unser Bergmann, „gehen wir täglich unverzagt mit dem freudigen 
,Glück auf' an unser Werk,- denn wir stehen in Gottes Schutz." Wir scheiden 
von den braven Bergleuten mit dem Gruße „Glück auf" und wenden uns 
wieder dem Stollen zu. „Es ist still um uns her. Obwohl über 1000 Berg¬ 
leute in der Grube arbeiten, ist von ihnen keiner mehr in unserer Nähe. Ihr 
Arbeitsbezirk verbreitet sich über ungeheure Strecken. Oer einzige Laut in 
der Stille ist unser eigenes Atmen und das Tropfen herabrieselnden Wassers 
auf den Boden der Gänge, vor uns starrt die Kohle in glänzenden Blöcken, 
über uns droht, durch Balken gestützt, eine gewaltige Lage grauen Schiefers. 
Eine Weile überlassen wir uns dem Eindrucke dieser unterirdischen Welt, und 
seltsam — mit einem TRale steigt ein farbenprächtiges Bild der Vorzeit vor 
unsern Augen auf. Wir sehen vor uns eine Landschaft mit hohen, fremd- 
gestalteten Bäumen. Gewaltige Schachtelhalme und Bärlappe erheben ihre hohen 
Stämme und wunderlichen Blätterkronen, prächtige Palmen stehen dazwischen, 
hohe Nadelhölzer bereichern das Pflanzenbild, und baumartige Farnkräuter 
geben der Landschaft einen eigenen Reiz. Zwischen sumpfigen Inseln und Land- 
zungen dringt allerwärts das Wasser des Meeres hinein. In seinen Fluten 
schießen Zische aus der Zamilie der Haie dahin, während am Lande beutegierige 
Schlangen und Eidechsen einherschleichen. Tropische Hitze liegt über dieser 
Natur, und Wasserdünste verschleiern die Luft. Was wir da schauen, erscheint 
wie ein Traum, und doch war es einst lebensvolle Wirklichkeit. Auf diesem 
Boden war vor vielen tausend Jahren eine stolze Welt. In der vor uns 
Schulz, Heimatkunde für die Provinz Rheinland. 6
	        
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