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Heimatkunde für die Provinz Rheinland.
roten Ackerwinden, deren erste Pracht sich draußen auf den Kleeschlägen zeigt.
Wer in früher Morgenstunde oder am späten Nachmittage vorsichtig durch die
Fluren wandert, kann manchmal allerliebste Bilder tierischen Familienglückes
beobachten. Die Ricke mit ihren weihgefleckten Kirchen, Fasanen und Reb¬
hühner, manchmal auch Wachteln mit ihren kleinen Hühnchen, Junghasen auf
frischem Klee und manches andere mehr."
3. Erwerbsquellen. Oer durch den Schlamm des Rheines gedüngte,
daher fruchtbare Loden erzeugt einen trefflichen Graswuchs, der noch durch
das milde und regenreiche Klima an Üppigkeit gewinnt. Selbst im lvinter
verlieren die weiten Wiesen kaum ihr grünes Aussehen. Sie gewähren einer
Menge von Rindern das notwendige Futter, daher erweist sich hier die Viehzucht
als lohnende Erwerbsquelle- ja in manchen Bezirken des Niederrheins, z. B.
im Kreise Rees, bildet sie die Hauptbeschäftigung der Bewohner. Tag und
Nacht bleibt das Vieh im Sommer auf der Weide. Tümpel und Teiche, die
überall vorhanden, dienen ihm als Tränke. Da grasen vorzügliche Kühe, die
täglich 20 I milch liefern. Dreimal am Tage kommen die Mägde mit dem sauber
gescheuerten Milchkübel auf die Weide, um die Tiere zu melken. Neben dem
Milchvieh beleben auch Mastvieh und Jungvieh die kaum absehbaren Wiesen-
flächen. Die Milch wird tn den Molkereien zu Lutter, in den großen Käsereien,
die das Eigentum von Käsereigenossenschaften sind, zu dem weit und breit
geschätzten „Holländer" und „Edamer" verarbeitet. Neben der Viehzucht bringt
der Ackerbau reichen Gewinn, besonders Kohl, Weizen und Zuckerrüben ge-
deihen in dem schweren Loden gar trefflich, ja sogar die Tabakpflanze wird am
Niederrhein zwischen Tanten und Emmerich in großen Mengen angebaut. Um
die gegen Wind sehr empfindlichen Pflanzungen zu schützen, werden sie mit
Hecken umzäunt. Die pflanze erreicht etwa Manneshöhe und besitzt lange,
breite Blätter, die den Tabak liefern. Levor der Bauer mit der Ernte beginnen
kann, wird durch einen Steuerbeamten die Pflanzung abgeschätzt und die Steuer
festgesetzt, die der Bauer zu zahlen hat. Alsdann kann die Ernte beginnen.
Die Blätter werden vorsichtig abgebrochen, in der Mittelrippe gespalten und
auf Stangen geschnürt, um sie zum Trocknen aufzustellen. Während des
Trocknens erhält das Blatt eine braune Farbe. Die Blätter werden alsdann
in Bündel gebunden und in die Tabakfabriken geschickt. Die Städte O u i s -
bürg, Mülheim a. b. Ruhr, ©rsoy, Wesel, Rees, Emmerich
und Eleve besitzen solche Fabriken. Die besten Blätter werden hier zu Zigarren
zusammengerollt, die andern zu Rauchtabak zerschnitten. Außer Viehzucht und
Ackerbau muß auch der am Niederrhein eifrig betriebene Fischfang Erwähnung
finden. Durch den regen Schiffsverkehr und die Verunreinigung des Wassers
hat allerdings der frühere Fischreichtum bedeutend abgenommen- doch erweist
sich der Lachs- oder Salmfang auch heute noch als sehr ergiebig. Zwar muß
auch hier die Erhaltung der Lachseier künstlich geschehen. In besonderen An-
stalten werden die Eier ausgebrütet. Die Jungbrut wird dann in Nebenbächen
des Rheines ausgesetzt. Zwei bis drei Jahre bleiben die jungen Tiere in diesen,