haftet kein Makel an, sobald er außerhalb der Grenzen der Völkerschaft voll¬
führt wird. Durch ihn, glauben sie, werde die junge Mannschaft geübt, der
Müßiggang aber gemindert. Sobald einer der Fürsten in öffentlicher Ver¬
sammlung erklärt, daß er die Führung übernehmen wolle und es möchten sich
die melden, die ihm zu folgen gedächten, erheben die sich, die mit der Sache
und mit dem Manne einverstanden sind, und versprechen ihren Beistand. Lob
wird ihnen von der Menge zu teil. Wer aber von diesen dann nicht folgt,
der wird als ein Feigling und Verräter betrachtet, und jedes Vertrauen wird
ihm fernerhin entzogen.
An dem Gastfreunde sich zu vergreifen, dünkt sie Frevel. Wer aus irgend
einem Grunde zu ihnen kommt, den schützen sie vor Unbill und halten ihn
für unverletzlich. Alle Häuser stehen ihm offen, und der Lebensunterhalt wird
mit ihm geteilt.
Der Stamm der Sueven ist der bei weitem größte und kriegslustigste
von allen Germanen. Hundert Gaue soll er zählen, und aus jedem ziehen
jährlich tausend Krieger zum Kainpse über die Grenze. Die übrigen, die
zu Hause bleiben, erwerben für sich und jene die Nahrungsmittel. Im fol¬
genden Jahre stehen diese zur Abwechselung unter deu Waffen, und jene bleiben
in der Heimat. So wird weder der Ackerbau noch das Kriegshandwerk ver¬
nachlässigt. Aber getrennte, bestimmten Personen zugehörige Äcker gibt es
nicht. Auch ist es uicht gestattet, an einem Orte um des Ackerbaues willen
länger als ein Jahr zu bleiben. Das Weidwerk betreiben sie mit Vorliebe,
und diese Beschäftigung nährt durch die Art der Speise wie durch die täg¬
liche Übung ihre Kräfte und macht sie zu Menschen von ungewöhnlicher
Körpergröße.
Kaufleuten gestatten die Sueven nur ans dem Grunde den Zutritt, um
jemand zu haben, an den sie ihre Kriegsbeute verkaufen können, nicht aber,
als ob sie nach der Einfuhr von irgend etwas Verlangen trügen. Ja selbst
der Pferde bedienen sie sich nicht, wenn sie ans der Fremde, kommen. Klein
und häßlich sind zwar die einheimischen, doch durch tägliche Übung fähig, die
größten Anstrengungen zu ertragen.
Im Reitertreffen springen sie oft von den Pferden herab und kämpfen
zu Fuß. Nichts gilt nach ihrem Brauche für schimpflicher oder feiger, als
den Sattel zu gebrauchen.
Die Einfuhr von Wein dulden sie überhaupt nicht, denn sie glauben,
daß er deu Menschen zum Ertragen von Strapazen unfähig mache und ver¬
weichliche.
3. Die Schlacht im Teutoburger Walde.
Über die Kämpfe, die zur Zeit der römischen Kaiser Augustus und Tiberius zwischen
den Germanen und den Römern stattfanden, berichtet u. a. der römische Geschichtsschreiber
Vellejus, der Waffengenosse des Kaisers Tiberius. Eine Erzählung über den Kamps im
Teutoburger Walde ist von dem Griechen Cassius Dio in dessen „Römischer Geschichte" er¬
halten, der Aufzeichnungen von Augenzeugen benutzt hat. Er lebte im Beginn des 3. Jahr¬
hunderts. Seine durch einzelne Züge römischer Geschichtsschreiber ergänzte Erzählung lautet
nach A. Richter a. a. O. S. 2:
Die Römer besaßen einige Bezirke in Germanien, nicht beisammen, sondern
wie sie gerade erobert worden waren. Sie überwinterten dort. Die Deutschen